Beratungskommission der GT zu Bisphenol A

Auszüge aus dem Original: 

Critical evaluation of key evidence on the human health hazards of exposure to bisphenol A.
(Kritische Sichtung der Hinweise auf Bisphenol A-bezogene Gesundheitsgefahren beim Menschen - Übersetzung durch MO)

Aus der Zusammenfassung:

Despite the fact that more than 5000 safety-related studies have been published on bisphenol A (BPA), there seems to be no resolution of the apparently deadlocked controversy as to whether exposure of the general population to BPA causes adverse effects due to its estrogenicity. Therefore, the Advisory Committee of the German Society of Toxicology reviewed the background and cutting-edge topics of this BPA controversy.

sinngemäße Übersetzung durch MO:

Obwohl inzwischen mehr als 5 000 Studien zu Bisphenol A (BPA) vorliegen, geht die (scheinbar in eine Sackgasse geratene) Kontroverse um die Frage weiter, ob die BPA-Exposition der Bevölkerung nachteilige gesundheitliche Wirkungen zur Folge hat, die mit dessen östrogener Wirkung zusammenhängen. Die Beratungskommission der Gesellschaft für Toxikologie hat nun die neuesten Diskussionspunkte rund um die BPA-Kontroverse gesichtet.

The current tolerable daily intake value (TDI) of 0.05 mg/kg body weight [bw]/day, derived by the European Food Safety Authority (EFSA), is mainly based on body weight changes in two- and three-generation studies in mice and rats. Recently, these studies and the derivation of the TDI have been criticized.

sinngemäße Übersetzung durch MO:

Der derzeit gültige TDI-Wert von 0.05 mg/kg KG und Tag, der von der EFSA festgelegt wurde, basiert hauptsächlich auf 2-und 3-Generationen-Studien an Mäusen und Ratten. Kürzlich wurden diese Studien und die Ableitung des TDI in Frage gestellt.

After having carefully considered all arguments, the Committee had to conclude that the criticism was scientifically not justified; moreover, recently published additional data further support the reliability of the two- and three-generation studies demonstrating a lack of estrogen-dependent effects at and below doses on which the current TDI is based. ...

sinngemäße Übersetzung durch MO:

Nach Sichtung und Wertung aller Argumente kommt die Beratungskommission der Gesellschaft für Toxikologie zum Schluß, daß diese Kritik wissenschaftlich nicht gerechtfertigt ist. Im Gegenteil: kürzlich publizierte Daten unterstreichen die Verläßlichkeit der 2-und 3-Generationen-Studien, die das Ausbleiben einer östrogenen Wirkung bei Dosen unterhalb und in Höhe des TDI nachweisen. ...

Hengstler JG, Foth H, Gebel T, Kramer PJ, Lilienblum W, Schweinfurth H, Völkel W, Wollin KM, Gundert-Remy U.
Quelle: Crit Rev Toxicol. 2011 April, Band 41(4) S. 263-91.

Den Umweltmediziner erinnert die BPA-Kontroverse an die (nicht immer sachlich und auf dem Boden der Wissenschaft ausgetragenen) Auseinandersetzungen um Amalgam, Pyrethroide, MCS und Mobilfunk. Hier wie dort sind neben vielen lege artis durchgeführten und in peer-review-Zeitschriften veröffentlichen Studien auch solche durchgeführt worden, die dem anerkannten wissenschaftlichen und methodischen Stand der Forschung nicht genügen und/oder die später nicht reproduziert werden konnten. 

Die Beratungskommission der Gesellschaft für Toxikologie hat sich nun der Mühe unterzogen, diese Studien zu sichten und zu bewerten.

Einige "heiße Diskussionspunkte" und die Meinung des Beratergremiums seien hier angeführt:

  • (früher berichtete) BPA-Wirkungen auf das Nervensystem und auf das Verhalten von Nagetieren können nicht auf die Situation beim Menschen extrapoliert werden. Toxikokinetische Studien zeigen, daß die Halbwertszeit von BPA beim Erwachsenen weniger als 2 Stunden beträgt. BPA wird vollständig in konjugierter Form, als wasserlöslicher Sulfatester bzw. als Glucuronid über den Urin ausgeschieden. Zwar können es im Gewebe zu einer "Dekonjugation", also einer Spaltung der Verbindung in BPA und Sulfat bzw Glucuronid kommen, die entstehenden extrem geringen Mengen würden toxikologisch aber von untergeordneter Bedeutung sein.
  • Biomonitoringstudien haben gezeigt, daß die tatsächliche tägliche BPA-Aufnahme in der Bevölkerung weit unterhalb des TDI-Wertes liegt.
  • Die Beratungskommission hält den Schluß der EFSA für nachvollziehbar, daß bei BPA-Dosen unterhalb des TDI auch beim Neugeborenen, dessen Stoffwechselkapazität geringer als die eines Erwachsenen ist, die Kapazität zur Sulfatester- und Glucuronidbildung ausreicht (IDW 2008).

Weitere Punkte betreffen die nach Meinung einiger BPA-Kritiker geringere Östrogenempfindlichkeit der Ratte im Vergleich zum Menschen, methodische Probleme bei der Analytik von BPA im Spurenbereich (mögliche Kontamination durch Plastikmaterial im Analyselabor), die BPA-Exposition auf Intensivstationen, die Aussagekraft von Studien mit nonoraler vs. oraler BPA-Zufuhr, toxikologische Wirkmechanismen von BPA uvm.

Insgesamt kommt die mit namhaften Fachleuten besetzte Beratungskommission der Gesellschaft für Toxikologie zum Schluß, daß der gegenwärtige TDI-Wert der EFSA wissenschaftlich gut fundiert ist und das nach gegenwärtigem Wissensstand die derzeitige BPA-Belastung kein nennenswertes Risiko für die Allgemeinbevölkerung (einschließlich der Neugeborenen und Säuglinge) darstellt.

Anmerkung (26. Januar 2015): Vor wenigen Tagen hat die EFSA einen neuen temporären TDI-Wert in Höhe von 4 Mikrogramm BPA pro kg Körpergewicht festgelegt. Details siehe hier

Literatur: 

Beratungskommission der Gesellschaft für Toxikologie e.V. (2008): Zur aktuellen Diskussion über eine mögliche gesundheitliche Gefährdung durch Bisphenol A. http://idw-online.de/pages/de/news276026

Veröffentlicht: 28. April 2011 - 0:00 Uhr

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