Diskussion zu hormonaktiven Substanzen („endokrine Disruptoren“)

v.l.: A. Weisgerber, G. Romanowski, K. E. von Mühlendahl, T. Franke (Moderator), B. Schäfer, O. Renn

Ob Konservierungsstoffe in Sonnencremes, Pflanzenschutzmittel in Obst und Gemüse oder Bisphenol A in Thermopapieren: Umweltbedingte hormonaktive Substanzen („endokrine Disruptoren“) stehen in der aktuellen Diskussion. Ihr Stellenwert ist fachlich umstritten.

Auf einem Workshop des EU-Nachrichtenportals EurActiv am 03. Juli 2014 in Berlin wurden verschiedene Ansichten hierzu diskutiert.

Im Spannungsfeld der Diskussion stand die Frage, wie gut unser Wissen zu einzelnen Umweltstoffen sein muss, um einerseits rechtzeitig regulatorisch im Sinne des Verbraucherschutzes tätig zu werden, andererseits keine vorschnellen Beschränkungen auf der Basis dünner, unsicherer Daten oder gar aus einem Bauchgefühl heraus auszusprechen.  Ein „Null-Risiko“ kann und wird es nicht geben.

Aus Sicht der Industrie darf es zu keinem größeren wirtschaftlichen Schaden kommen. Dr. Gerd Romanowski vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) betont die Wichtigkeit von Grenzwerten. Eine Verwendung endokriner Disruptoren unter den Grenzwerten sollte erlaubt sein.

In einzelnen Fällen zeigt sich die Schädlichkeit bestimmter Stoffe erst im Nachhinein. Prof. Dr. med. K. E. von Mühlendahl (Kinderarzt und Geschäftsführer der gemeinnützigen Kinderumwelt GmbH) weist auf den mangelnden Wissensstand zu vorgeburtlichen und frühkindlichen Einflüssen anthropogener und natürlicher hormonaktiver Substanzen hin.

Gerade im Niedrigdosisbereich ist die Zuordnung von Ursachen zu einer oftmals viel später erst auftretenden gesundheitlichen Wirkung schwierig. Prof. Bernd Schäfer vom Bundesinstitut für Risikobewertung betont, dass die Wissenschaft weder alle Einzelsubstanzen kennt, noch die Wechselwirkungen der Verbindungen untereinander.

Bei einem derart komplexen Thema wird das Risiko von Seiten der Verbraucher oft überschätzt, erklärt Soziologe und Risikoforscher Prof. Dr. Ortwin Renn. Daher müsse die Politik festlegen, was als akzeptables Risiko gilt. Dafür sei jedoch mehr Forschung notwendig. Oftmals seien Alternativstoffe weniger erforscht oder stellten sich später als bedenklich heraus.

Dr. Anja Weisberger von der CSU ist der Meinung, dass die Politik sich nach der Mehrheitsmeinung der Wissenschaft richten sollte. Sie sieht es als schwierig an, die unterschiedlichen Interessen zu verbinden. Auch Verbraucher hätten keine einheitliche Meinung. Einerseits wolle man günstige und schädlingsfreie Lebensmittel, andererseits möchte man auf bedenkliche Pflanzenschutzmittel verzichten.

Einig ist man sich darin, dass eine Definition endokriner Disruptoren notwendig ist. Die EU-Kommission arbeitet bereits an entsprechenden Kriterien, um später zu einer (wissensbasierten) Regulierung hormonaktiver Substanzen zu kommen.

Die ausführliche Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. med. K. E. von Mühlendahl finden Sie hier.

Veröffentlicht: 16. Juli 2014 - 10:17 Uhr

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EurActiv; Erika Körner