Regulatorische Aspekte

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Regulatorische Aspekte

Bei der Beurteilung umweltbezogener Gesundheitsrisiken und der Ableitung von Grenzwerten soll die spezifische Empfindlichkeit von Kindern in besonderer Weise  berücksichtigt werden.

So werden in einer Reihe von nationalen und internationalen Bewertungsleitfäden Kinder als besonders empfindliche Gruppe angesprochen, welche besonders berücksichtigt werden muss (WHO 1999, WHO/EHC 237 von 2006).

Sind genauere Informationen zur spezifischen Empfindlichkeit von Kindern vorhanden, so werden die Grenz- oder Richtwerte anhand derartiger Informationen festgelegt. Liegen keine genauen Informationen über die spezifische Empfindlichkeit vor, so wird dies in der gegenwärtigen regulatorischen Praxis häufig relativ schematisch durch generelle Sicherheitsfaktoren versucht.

Bei der Bewertung von Chemikalien mit Hilfe des „margin of safety“- Ansatzes (MOS-Ansatz, (WHO 1999)) sowie der Ableitung von Richt- oder Grenzwerten für Schadstoffe in Umweltmedien und Lebensmitteln wird häufig die im Tierversuch gefundene Dosis ohne adverse Wirkung (NOAEL) durch die Verwendung von Faktoren auf die Situation beim Menschen adjustiert. Ein Faktor von bis zu 10 wird konventionell für Unterschiede zwischen Tier und Mensch, eingesetzt (Konietzka und Schneider 2004).

Durch einen Intraspeziesfaktor („Unsicherheitsfaktor“) von bis zu 10 für besonders empfindliche Gruppen sollen auch Kinder mitberücksichtigt werden. Zusätzlich zu diesem Intraspeziesfaktor sehen die bodenschutzrechtlichen Bestimmungen zum Schutz von Kindern gegenüber bestimmten genotoxischen Kanzerogenen einen “Default-Faktor“ (Ersatzfaktor in Ermangelung eines exakten Faktors) von in der Regel 10 vor (Kommission HBM 2005).

Die gleiche Vorgehensweise wird auch für die Ermittlung von Maßnahmewerten gemäß TrinkwV 2001 angewandt (Dieter und Henseling 2003).

Die Kommission „Innenraumlufthygiene“ des Umweltbundesamtes (UBA) führte zur Berücksichtigung von Kindern wegen ihres ca. doppelt so hohen Atemminutenvolumens pro kg Körpergewicht einen zusätzlichen Faktor 2 bei der Ableitung von Richtwerten ein (IRG/AGLMB 1996).

Im Rahmen des APUG-Projektes „Empfindlichkeit von Kindern gegenüber Schadstoffen“ wurde den am APUG beteiligten Institutionen (Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Robert Koch-Institut (RKI), Umweltbundesamt (UBA)) ein Fragebogen zugesandt, in welchem um Angaben zur Berücksichtigung von Kindern bei der Grenzwertableitung gebeten wurde.

Aus der Auswertung geht hervor, dass in vielen Feldern, in welchen Grenzwerte für Umweltmedien, für Expositionen gegenüber Strahlung und für Lebensmittel festgelegt werden, den Besonderheiten von Kindern Rechnung getragen wird (vgl. Tabelle 7).

  • Zunächst wird eine spezielle Analyse der Expositionssituation, der vorliegenden Befunde und bekannter physiologischer Besonderheiten vorgenommen, um eine angemessene Grenzwertsetzung, die Säuglinge und Kinder berücksichtigt, zu erreichen.
  • Im Bereich der Innenraumluft wird der oben genannte Defaultansatz gewählt und die besondere Situation bei Kindern durch einen zusätzlichen Sicherheitsfaktor von 2 berücksichtigt. Dieser ist in einem altersspezifisch höheren Atemminutenvolumen pro kg Körpergewicht begründet.
  • Ein sogenannter Defaultansatz wird auch für genotoxische Kanzerogene (erbgutschädigende, krebserzeugende Substanzen) gewählt. Der zusätzliche Faktor von 10 beruht auf der Analyse vorliegender Studien zur Entstehung von Krebs, die auf eine erhöhte Empfindlichkeit bei Tieren, die in frühen Lebensaltern gegenüber genotoxischen Kanzerogenen experimentell exponiert wurden, im Vergleich zu Tieren hinweisen, die in höherem Lebensalter exponiert wurden.
  • Für Pestizide wird beim Vorliegen von Hinweisen auf Embryo- bzw. Fetotoxizität oder postnatalen Entwicklungsstörungen ein zusätzlicher Faktor von bis zu 10 in die Grenzwertsetzung einbezogen. Dieser spezielle Faktor wird auch angewendet, wenn die Datenlage zur Toxizität in der Entwicklungsphase lückenhaft ist.
  • Für Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung hat die Europäische Kommission in einer Richtlinie Schädlingsbekämpfungsmittel (Pestizide) benannt, deren Anwendung bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die zur Herstellung dieser Produkte bestimmt sind, untersagt ist (EU Richtlinie 91/321 2003).
  • In einer weiteren Richtlinie der Kommission wurden Rückstandshöchstgehalte von einigen Pestiziden für Getreidebeikost und andere Beikost für Säuglinge und Kleinkinder festgelegt, die deutlich unter den Werten für Erwachsenennahrung liegen. In Deutschland wie in Europa ist dies 10 µg pro kg für jeden einzelnen Stoff in diätetischen und Kinder-Nahrungsmitteln. Ebenso hat die Kommission in einer Verordnung die Gehalte von Aflatoxin und Ochratoxin in Lebensmitteln für Säuglinge und Kleinkinder deutlich unterhalb der Werte für Erwachsene festgelegt (EU Verordnung Nr. 683 2004).

Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel „Umweltbelastungen und die Gesundheit von Kindern“ (Straff, v. Mühlendahl, siehe Literaturquellen), der hier gekürzt und stellenweise ergänzt wiedergegeben wird. Dabei wird insbesondere auf Besonderheiten in der vorgeburtlichen Phase und in den ersten Lebensmonaten und -jahren eingegangen.

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Autor/innen:     Zuletzt aktualisiert: 16.04.2023

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