Häufigkeit, Diagnose und Therapie

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Häufigkeit, Diagnose und Therapie

Häufigkeit

Die Häufigkeit der Anaphylaxie in der Allgemeinbevölkerung ist zwar untersucht worden, jedoch sind Auslöser und ihre Häufigkeiten altersabhängig und regional verschieden. Deshalb sind auch keine genauen Häufigkeitsangaben möglich. Es wird geschätzt, dass insgesamt 1-1,5 % der Menschen bereits einen anaphylaktischen Schock erlitten hat. Bekannt ist, dass 0,8 bis 5 % der anaphylaktische Reaktionen nach Bienen- und Wespenstichen auftreten.

Laut einer Studie im Berliner Raum leiden in Deutschland von 100.000 Einwohnern 2 bis 3 Personen an der Anaphylaxie (Beyer et al. 2012).

Jungen sind häufiger von einer Anaphylaxie betroffen als Mädchen. Ab dem Zeitpunkt der Pubertät ist jedoch eine Geschlechterangleichung zu beobachten.

In der Notaufnahme eines Krankenhauses sind retrospektiven Studien zufolge bis zu 1% der Patienten aufgrund einer anaphylaktischen Reaktion in der Klinik aufgenommen worden.

An einer Anaphylaxie versterben schätzungsweise 1 bis 3 Personen im Jahr pro einer Millionen Einwohner.

Diagnose

Die Diagnose der anaphylaktischen Reaktion erfolgt anhand der klinischen Symptome.
Nach einer ausgestandenen anaphylaktischen Reaktion muss mit Hilfe eines Allergologen unbedingt nach dem Auslöser gesucht werden und eine allergologische Diagnostik durchgeführt werden. Oft gibt die Anamnese wichtige Hinweise, ob ein Wespenstich oder ein bestimmtes Nahrungsmittel die Anaphylaxie verursacht hat.

Meist lassen sich im Pricktest oder im Bluttest (spezifisches IgE) Allergieantikörper gegen den Auslöser nachweisen. Erschwert wird die Suche, wenn die anaphylaktische Reaktion nur mit einem Kofaktor (z.B. körperliche Belastung) auftritt.

Bei Insektengiften (Biene und Wespe) gibt es passende Hauttestlösungen und entsprechende IgE-Testverfahren. Bei Medikamenten und Nahrungsmitteln ist hingegen die Diagnostik nur eingeschränkt möglich.

Therapie und Anaphylaxieschulung

Zur Vermeidung eines anaphylaktischen Schocks ist das Meiden des Auslösers die beste Therapie. Betroffene sollen sich detailliert beraten lassen, welche Strategien es zur Allergenvermeidung gibt.

Hilfreich ist hier auch ein spezielles Trainingsprogramm. Infos hierzu liefert der Dachverband für Anaphylaxieschulung in Deutschland (AGATE).

Insektengiftallergie und anaphylaktischer Schock

Bei einer Insektengiftallergie gilt es, weitere Stiche zu vermeiden. Hierzu einige Tipps:

  • Keine süßen Getränke und Speisen draußen verzehren. Nicht aus einer Getränkedose trinken, da Bienen und Wespen sich gern darin verstecken.
  • Nicht barfuß im Freien laufen.
  • Nicht nach Insekten schlagen oder sie verscheuchen, das macht sie angriffslustig. Lieber ganz ruhig bleiben.
  • Abfalleimer und Fallobst locken Wespen und Bienen an und sollten daher gemieden werden.
  • Süße Parfums sollten vermieden werden, denn auch sie locken Insekten an.
  • Insektengitter vor den Fenstern helfen zu vermeiden, dass Bienen und Wespen in die Wohnräume gelangen.
  • Informieren Sie Ihr Umfeld (Familie, Freunde, ggf. Kollegen) über Ihre Allergie.
  • Tragen Sie Ihre Notfallapotheke immer bei sich und überprüfen Sie sie regelmäßig.
  • Üben Sie den Umgang mit den Medikamenten der Notfallapotheke.

Nahrungsmittelallergie und anaphylaktischer Schock

Bei einer Nahrungsmittelallergie gelten folgende Regeln:

  • Informieren Sie sich über Nahrungsmittel, die den Allergieauslöser enthalten können (evtl. ist eine Ernährungsberatung bei einer Ernährungsfachkraft sinnvoll).
  • Beachten Sie die Zutatenliste und mögliche Gesetzeslücken in der Lebensmittelkennzeichnungspflicht.
  • Nehmen Sie im Zweifel eigenes Essen mit.
  • Informieren Sie Ihr Umfeld (Familie, Freunde, ggf. Kollegen) über Ihre Allergie.
  • Tragen Sie Ihre Notfallapotheke immer bei sich und überprüfen Sie sie regelmäßig.
  • Üben Sie den Umgang mit den Medikamenten der Notfallapotheke.

Bei Reaktionen nach einer Hyposensibilisierungsbehandlung oder auf Medikamente in der Klinik sind die notwendigen Therapiemaßnahmen sofort verfügbar. Somit kann das Risiko einer starken anaphylaktischen Reaktion deutlich verringert werden. Treten anaphylaktische Reaktionen außerhalb einer ärztlichen Überwachung auf, gilt es, ruhig und besonnen zu handeln und Notfallmaßnahmen zu beachten.

Notfallmaßnahmen außerhalb der ärztlichen Überwachung

Die Therapie muss sofort einsetzen. Zunächst geht es darum, die weitere Allergenzufuhr zu stoppen und zu vermindern. So kann zum Beispiel nach einem Bienenstich versucht werden, den Giftsack so zu entfernen, dass er nicht noch zusätzlich ausgedrückt wird. Anschließend sind allgemeine Erste Hilfe-Maßnahmen anzuwenden:

  • Ruhe bewahren!
  • Notarzt verständigen!
  • Wenn keine Atemnot vorliegt, Patienten in liegende Position bringen und Beine hochlagern!
  • Patienten warmhalten!
  • Notfallmedikamente geben (wenn Notfallset vorhanden s.u.)!

Ist der Arzt eingetroffen, können dann, je nach Stärke der Reaktion, Medikamente gegeben werden, um die Reaktion abzustoppen.

Notfallset und Notfallplan

Bei bekannter hochgradiger Allergie und Allergenen, die nur schwer zu meiden sind (Insektengift, Erdnuss), kann es sinnvoll sein, die Patienten mit einem medikamentösen Notfallset auszustatten. Es enthält Adrenalin in einem Autoinjektor, ein Antihistaminikum und ein Kortisonpräparat (beide antiallergisch wirkend). Die Patienten müssen die richtige Handhabung des Notfallsets genau lernen und die richtige Anwendung immer wieder üben.

Auch die Handhabung des Notfallsets ist nicht ungefährlich. Deshalb ist das Set hilfreich, wenn der Umgang sicher beherrscht wird und eine tatsächliche Bedrohung vorliegt. Ist ein Notfallset vorhanden, sollte sofort und schon vor Eintreffen des Notarztes mit entsprechenden Maßnahmen begonnen werden.

Ein Asthmatiker sollte zusätzlich ein Akut-Spray mit einem Bronchialerweiterer (z.B. Salbutamol) mit sich führen. Allen Notfallsets sollte ein schriftlicher Notfallplan bzw. ein Anaphylaxie-Pass beiliegen.

Für Schulen und Kitas gibt es vorbereitete Notfallpläne. Diese sollten zusammen mit dem behandelnden Arzt ausgefüllt und dann mit Erzieherinnen und Lehrern besprochen werden. Gut informiert können kritische Situationen besser gemeistert und Angst gemindert werden.

Anaphylaxie-Notfallpläne des DAAB

Ein Anaphylaxie-Notfallplan für die private Anwendung sowie für Schule und Kita kann über den Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) bestellt werden.

Adrenalin als wichtigstes Medikament in der Akuttherapie

Die Ergebnisse einer deutschen Studie zeigen, dass Patienten mit anaphylaktischen Reaktionen überwiegend Antihistaminika und Kortikosteroide erhalten und eher wenig Adrenalin (Worm et al. 2014). Die Wirksamkeit von Adrenalin wurde nachgewiesen, allerdings gibt es keine prospektiv kontrollierten Studien, die dieses zeigen können. Zudem besteht bei der Gabe von Adrenalin das Risiko, Probleme mit dem Herzen zu bekommen. Bei Kindern ist das Risiko allerdings gering. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass bei Patienten, welche an einer Anaphylaxie verstorben waren, Adrenalin nicht oder nur verspätet gegeben wurde.

Deshalb lautet die Empfehlung, Adrenalin bei einem anaphylaktischen Schock ab Schweregrad 2 zu geben. Intravenös verabreicht zeigt sich bei Adrenalin der schnellste Wirkungsantritt. Damit wird es zum wichtigsten Medikament in der Akuttherapie.

Ein Schema, welches die Therapie für Ärzte und Notfalltherapie abbildet, findet sich in der S2-Leitlinie zu Akuttherapie und Management der Anaphylaxie (Ring et al. 2014).

AGATE-Schulungen für Anaphylaxie-Betroffene

Ergänzend zum Notfallset hat die Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie Training und Edukation (AGATE) ein standardisiertes und evaluiertes Trainingsprogramm entwickelt. Hier lernen Betroffene und Eltern von anaphylaxiegefährdeten Kindern Strategien zur Allergenvermeidung sowie Hintergründe zur Anaphylaxie.

Ein wesentlicher Bestandteil ist die Notfallselbstbehandlung, die durchzuführen ist, bevor der Notarzt kommt. Das wichtigste Element hier ist die Handhabung des Autoinjektors: Wann und wie wendet man ihn an?
Außerdem lernen die Betroffenen ihre nächste Umgebung zu informieren und welche Angaben man bei einem Notruf machen muss.

Auch für die Betreuer von Kindern und Jugendlichen hat die Arbeitsgruppe Anaphylaxie ein Schulungsprogramm entwickelt. Es befasst sich unter anderem mit der problematischen rechtlichen Situation und möglichen Lösungswegen.

Schulungszentren, die eine Anaphylaxie-Schulung nach dem AGATE-Trainingsprogramm anbieten, finden Sie auf der Website der Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie Training und Edukation (AGATE).

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Autor/innen: Dr. S. Schmidt | S. Höppner, M. A. | J. Linnemann, M. Sc.    Zuletzt aktualisiert: 22.04.2023

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