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Ozon: (Un)heimliche Bedrohung für Krippenkinder?

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Interview der Fachzeitschrift KrippenKinder mit Dr. Thomas Lob-Corzilius.

Jetzt, im Sommer, steigen die Ozonwerte – und zwar vor allem in Bodennähe, also genau dort, wo Krippenkinder sich aufhalten.

Wie gefährlich ist Ozon für die Kleinsten in der Kita und was können pädagogische Fachkräfte hier beachten? Die Fachzeitschrift KrippenKinder hat dazu bei Dr. Thomas Lob-Corzilius nachgefragt. Er ist Umweltmediziner, Pädiater, Lungenfacharzt und Mitglied des Allum-Redaktionsteams.

KrippenKinder: Herr Dr. Lob-Corzilius, was genau ist denn eigentlich das sogenannte Ozon? Was müssen wir uns darunter vorstellen?

Ozon, chemisch O3, ist ein reaktionsfreudiges Reizgas, das tief in die Luftwege eintritt und dort akute Schleimhautreizungen bzw.- entzündungen verursacht. Ärzte nennen das den „oxidativen Stress“. Bodennahe, gesundheitsgefährliche Ozonkonzentrationen über 120 µg/m³ entstehen allein bei steigenden Temperaturen durch langen Sonnenschein ab dem frühen Morgen. Denn die darin enthaltene UV-Strahlung bewirkt den Ozonanstieg, wenn gleichzeitig Stickstoffdioxid, NO2, anwesend ist, welches vor allem durch verkehrsbedingten Abgase fossil betriebener Fahrzeugmotoren entsteht.

Die UV-Strahlung spaltet das NO2 auf in  NO + O-Radikal. Das O-Radikal verbindet sich dann rasch mit normalem Sauerstoff (O2) zu Ozon (O3).

Dr. Thomas Lob-CorziliusDeshalb entsteht Ozon vor allen in Städten mit viel Verkehr, wird von dort aber durch die Luftströmung ggf. plus Wind in die verkehrsferne, am Stadtrand liegende oder ländliche Umgebung verweht. Beim abendlichen Berufsverkehr in der Stadt reagiert Ozon dann mit Stickstoffoxid (NO), dass ebenfalls durch den Verkehr produziert wird, sodass wieder NO2 und Sauerstoff (O2) entstehen.

Da auf dem Lande weniger Verkehr vorhanden ist, fehlt dort das NO, um Ozon wieder in Sauerstoff und NO2 aufzuspalten. Dies erklärt die scheinbare Paradoxie, dass die durchschnittliche Ozonkonzentrationen in ländlichen Gebieten seit mehr als 30 Jahren mit 57µg/m³ deutlich über den Stadtgebieten mit 42 µg/m³ liegen (Quelle Umweltbundesamt).  

Welche Symptome, die ein Kleinkind von etwa zwei oder drei Jahren zeigt, könnten auf eine Belastung durch Ozon hinweisen? Woran erkenne ich das?

Hohe Ozonkonzentrationen können bei Kleinkindern mit überempfindlichen Bronchien zu plötzlich auftretendem Reizhusten, manchmal verknüpft mit pfeifenden Atemgeräuschen bis hin zu Atemnot führen, auch Kleinkinder beklagen sich dann, dass sie schlechter atmen, oder Erwachsene bemerken, dass sich die Kinder schlechter belasten können, also das Herumlaufen vermindern wenn nicht gar vermeiden. Im Kern sind das dann Symptome eines akuten Asthmaanfalls.

Was kann ich in dem Fall tun, dass ich den Verdacht habe, ein Kind könnte betroffen sein?

Ich gehe mit dem Kind rasch in die Innenräume, am besten die Toiletten und lasse über einen Wasserhahn lauwarmes Wasser laufen. Gibt es einen Duschkopf, dann am besten darüber, so entsteht ein feuchtes Aerosol, was bronchial beruhigend wirken kann. Meist vermindern sich darüber die Symptome. Geschieht das nicht, sollte die im Kindergarten bekannte Notfallkette genutzt werden.

Informieren Sie beim Abholen immer die Eltern und fragen, ob diese solche Symptome bei ihrem Kind kennen. Die Eltern sollen dann rasch Kontakt zum betreuenden Kinderarzt/ärztin aufnehmen.

Was können wir als pädagogische Fachkräfte tun, um Kinder Ozon nicht mehr als unbedingt nötig auszusetzen? Was können wir beachten?

Sie sollten auf Ihren Smartphones die Luftqualitäts-App des Umweltbundesamts installiert haben. Dort können sie standortnah abrufen, welche Ozon-, aber auch NO2 und Feinstaubkonzentration aktuell vorliegen. In der Sommerhitze sollten die Kinder bis max. 120 µg/m³ bis 11 Uhr draußen spielen, evtl. auch nachmittags ab 15 Uhr und das möglichst im Schatten.

Sind mit einer erhöhten Ozonbelastung gesundheitliche Schäden für das Kind – auch noch nach dem Kontakt oder Aussetzung – möglich, etwa als Spätfolgen?

Wochen- bis monatelang bestehende Ozonbelastungen, auch unter 120 µg/m³, führen zu chronischen Schäden des elastischen Bindegewebes der Lunge mit eingeschränkter Lungenfunktion und bei Kindern bis zur Pubertät zu vermindertem Lungenwachstum und Verschlechterung eines Asthma bronchiale.

Ozon, wie auch die Luftschadstoffe Feinstaub und Stickstoffdioxid (NO2), gehört zu den wichtigsten Schadstoffen. Mittlerweile ist durch eine Vielzahl von epidemiologischen Studien weltweit belegt, dass und wie Kinder in allen Altersstufen ursächlich dadurch erkranken oder sich ihre Krankheitssymptomatik verschlimmert.

Sind erhöhte Ozonwerte auch außerhalb des Stadtverkehrs, etwa im Kita-Außengelände, Sandkasten usw. zu erwarten?

Nach den obigen Ausführungen bietet die Lage des Außengeländes generell nicht mehr Schutz vor erhöhten Ozonkonzentrationen, besonders wenn sich Kinder mehr ab Mittag oder in den Nachmittag hinein spielend draußen aufhalten.

Sind Ozonwerte in der Nach-Corona-Zeit noch genauso hoch? (Oder sorgt der geringere Straßenverkehr auch für niedrigere Ozon-Werte?)

Wie oben erläutert führt ein geringerer, durch Benzin oder Diesel betriebener Verkehr immer dazu, dass weniger Ozon bei sommerlicher UV-Strahlung entsteht: denn wo durch geringere Abgase wenige Stickstoffdioxid produziert wird, entsteht weniger bodennahes Ozon. Dies gilt besonders für die zukünftige E-Mobilität und zwar unabhängig von ihrem Verkehrsaufkommen!

Quelle: KrippenKinder

Weitere Infos zu diesem Thema auf Allum finden Sie unter „Ozon“.

Autor/innen:     Zuletzt aktualisiert: 20.03.2023

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