Kann man Bisphenol A haltige Babyflaschen weiterhin verwenden?
Gesundheitliche Bewertung
Toxikologische Daten
Bisphenol A (BPA) wird seit ca. 50 Jahren toxikologisch untersucht. Bisphenol A ist nicht akut giftig, ruft keine Veränderungen am Erbgut hervor, ist nicht fruchtschädigend und wirkt auch nicht krebserzeugend (SCF 2002). Bisphenol A gehört zu den Stoffen mit hormonähnlicher (u. a. östrogenartiger) Wirkung (Einzelheiten siehe Text "Bisphenol A").
Aufnahme und Verteilung im Körper
Im Magen-Darm-Trakt wird Bisphenol A gut resorbiert, es wird im Stoffwechsel in eine wasserlösliche Verbindung ("Bisphenol A-Glucuronid, Bisphenol A-Sulfat") umgewandelt und rasch über die Niere ausgeschieden. Die Halbwertzeit im Körper liegt bei weniger als 6 Stunden.
Wirkung auf Organe
Beim Menschen geht eine östrogenartige Wirkung nach derzeitigem Wissensstand nur vom freien Bisphenol A aus, also nicht von seinen Stoffwechselprodukten, dem Bisphenol A-Glucuronid oder -sulfat. In der Fachwelt wird teilweise sehr kontrovers diskutiert...
- ob und inwieweit diese Wirkung für den Menschen von Bedeutung ist,
- inwieweit Bisphenol A - Stoffwechselprodukte in der Placenta oder der Leber des Fötus wieder gespalten werden, was dann eine Bisphenol-A-Einwirkung auf den Fötus zur Folge haben könnte,
- ob sehr niedrige Dosen möglicherweise eine größere Wirkung als hohe Dosen haben (Hypothese einzelner weniger Wissenschaftler).
Fachliche Bewertung
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR, 2005 - 2014) (D):
Das BfR befasst sich bereits seit Langem mit der gesundheitlichen Bewertung von Bisphenol A, insbesondere mit dessen Wirkung unter verbrauchernahen Bedingungen. Es bewertet regelmäßig Studien zu Bisphenol A und kommentiert sie.
Im März 2014 hat das BfR nochmals zu Bisphenol A in verbrauchernahen Produkten (d.h. auch Babyflaschen) Stellung genommen und eine Liste häufig gestellter Fragen und Antworten aktualisiert (BfR 2014, siehe auch "Zusätzliche Informationen").
Bewertung aus kinderärztlicher Sicht
Sicherlich ist der Wunsch aller Eltern nur allzu gut verständlich, ihrem Baby nur das Beste angedeihen zu lassen und möglicherweise schädliche Einflüsse von ihm fernzuhalten.
Doch besteht hier Grund zur Sorge? Nein. Die Zufuhr von Bisphenol A, das aus Polycarbonat-Babyflaschen herausgelöst wird, liegt im Bereich weniger Mikrogramm pro Tag und damit weit unter der derzeit zulässigen täglichen Aufnahmemenge.
Praktische Empfehlungen für die Zubereitung von Babynahrung
Seit 2011 gilt in der EU ein Verkaufsverbot für Babyflaschen auf Polycarbonatbasis. Allerdings dürfte es auf absehbare Zeit Polycarbonat-Flaschen geben, die aus verschiedensten Gründen noch im Umlauf sind.
Hierfür gelten die nachfolgenden Empfehlungen.
- Fabrikneue (unbenutzte) Babyflaschen aus Polycarbonat geben praktisch kein Bisphenol A ab.
- Babynahrung oder Tee sollte nicht im Fläschchen in der Mikrowelle, sondern im Topf erhitzt und anschließend in das Fläschchen umgefüllt werden. Auf diese Weise kann auch die Temperatur der Babynahrung besser kontrolliert werden.
- Babyfläschchen sollten möglichst wenige Kratzer aufweisen.
- Wer auf Polycarbonat-Flaschen verzichten möchte, kann auf Glasflaschen oder auf Babyflaschen aus einem anderen Kunststoff (Polypropylen, Polyethersulfon) zurückgreifen. Diese Flaschen werden als „BPA-frei“ beworben. Polypropylen ist milchig, die Kontrolle der Sauberkeit der Flasche gestaltet sich daher schwieriger. Polyethersulfon ist bisher wissenschaftlich weniger untersucht worden als Bisphenol A. „Erste wissenschaftliche Studien zeigen, dass aus Polypropylen-Flaschen deutlich mehr Substanzen in Lebensmittel übergehen können als aus Polycarbonat“ (BfR 2014). Zudem sind Flaschen aus Polyethersulfon meist teurer.
Position des BfR:
"Nehmen Säuglinge und Kleinkinder gesundheitsgefährdende Mengen an Bisphenol A auf?"
Beide Angaben (der Weltgesundheitsorganisation und des Umweltbundesamtes zur täglichen Aufnahme von Bisphenol A aus Polycarbonat-Babyflaschen - Anmerkung der ALLUM-Redaktion) liegen sehr deutlich unter dem von der EFSA abgeleiteten TDI-Wert und zeigen, dass für Säuglinge und Kleinkinder keine Gesundheitsgefahr besteht.
Gibt es Alternativen zu Babyflaschen aus Bisphenol A?
Es gibt verschiedene Kunststoff-Alternativen zu Polycarbonat, z.B. werden Babyflaschen aus Polypropylen angeboten. Polypropylen gibt deutlich mehr Substanzen an Lebensmittel ab als Polycarbonat. Die Stoffe, die auf Lebensmittel übergehen können, sind jedoch - wie auch Bisphenol A - gesundheitlich bewertet, und es wurden „Migrationsgrenzwerte“ festgelegt, die eingehalten werden müssen.
Im Handel werden auch Fläschchen aus Polyethersulfon angeboten und als „B free“ beworben. Die Ausgangsstoffe für diesen Kunststoff sind allerdings bislang wissenschaftlich wesentlich weniger untersucht als Bisphenol A.
Eltern, die grundsätzlich auf Trinkflaschen aus Kunststoff verzichten möchten, haben die Möglichkeit, auf Glasflaschen auszuweichen. Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings die Verletzungsgefahr, falls die Flasche zerbricht.
Entsprechend einer Entscheidung der Europäischen Kommission vom 26.11.2010 ist ab 1. März 2011 die Produktion und ab 1. Juni 2011 der Verkauf von Babyflaschen aus Polycarbonat in der EU verboten.
Können ältere Babyfläschchen aus Polycarbonat weiterhin verwendet werden?
Auch für ältere Babyfläschchen, die noch aus Polycarbonat hergestellt wurden, gilt: Sie dürfen nur so viel Bisphenol A in die Babynahrung abgeben, dass die Bisphenol A-Aufnahme des Babys sicher unter der täglich tolerierbaren Aufnahmemenge liegt. Die amtliche Lebensmittelüberwachung hatte in der Vergangenheit bei stichprobenartigen Untersuchungen von Babyfläschchen aus Polycarbonat nach haushaltsüblicher Erwärmung kein Bisphenol A im Inhalt nachweisen können."
Stand: 14. August 2019 - 11:29 Uhr
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