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Analytik, Biomonitoring und Grenzwerte
Analytik
Die Gesamtmenge an VOC (= TVOC, Total Volatile Organic Compounds) in der Innenraumluft wird durch zertifizierte Institute gemessen.
Einen einfach zu handhabenden Schnelltest gibt es nicht. Wer sich einen Überblick über möglicherweise vorhandene VOC im Innenraum verschaffen möchte, kann eine Hausstaubanalyse durchführen lassen. Als Stand der Technik für genauere, mengenmäßige (quantitative) Analysen wird die aktive Luftprobennahme auf Tenax TA angesehen, gefolgt von Thermodesorption und anschließender sogenannter gaschromatographisch/massenspektrometrischer Analyse (Seifert 1999, S. 278).
Viele frühere Studien wurden mit einer Messtechnik durchgeführt, die auf der Basis von Aktivkohle arbeitete. Die Analysenergebnisse beider Messtechniken unterscheiden sich unter Umständen erheblich (Seifert 1999, Oppl et al. 2000). Dies ist bei der Interpretation der Ergebnisse zu beachten. Den unter ”Grenzwerte und Richtwerte” genannten Zielwerten (”TVOC-Werte nach Seifert”) liegen Studien zugrunde, bei denen die Aktivkohlemesstechnik verwendet wurde.
Eine unkritische Anwendung der TVOC-Werte nach Seifert kann zu Fehleinschätzungen und möglicherweise kostenträchtigen Sanierungen führen. Der Messumfang sollte mit einem Umweltmediziner vor Messbeginn abgesprochen werden, um sicherzustellen, dass sowohl toxisch relevante, als auch Stoffe mit einem geruchsintensiven (olfaktorischen) bzw. reizenden (irritativen) Potenzial erfasst werden.
Aus umweltmedizinischer Sicht sollte verstärktes Augenmerk auf reaktionsfreudige Substanzen, insbesondere Alkohole, Aldehyde, Ketone, Säuren und Ester gelegt werden (Sagunski 1999). Manche VOC, darunter Vertreter der Terpene, reagieren gut mit Sauerstoffverbindungen (Oxidantien) wie Ozon oder Stickoxiden, werden dabei abgebaut und bilden neue Stoffe mit erheblicher Geruchs- oder Reizwirkung, die in üblichen Untersuchungsprogrammen nicht erfasst werden. Bei Kenntnis der Emissionsquelle kann die Substanzauswahl natürlich auch eingeschränkt werden.
MVOC-Analytik (Microbial Volatile Organic Compounds)
Gelegentlich wird vorgeschlagen, MVOC-Messungen als Maß für einen Schimmelpilzbefall im Innenraum heranzuziehen. Diese Messungen sind dann sinnvoll, wenn es sich um verdeckte mikrobielle Schäden handelt oder der Nachweis der Mikroorganismen mit Kultivierungsmethoden nicht gelingt. Als Leitsubstanzen (Indikatorverbindungen) sind Dimethyldisulfid, 1-Octen-3-ol, 3-Octanon und 3-Methyl-1-butanol geeignet (vgl. Schimmelpilz-Leitfaden 2002). Bestimmte MVOC-Verbindungen sind als Leitsubstanzen weniger oder nicht geeignet, da sie auch aus anderen Quellen (Farben, Kleber usw.) stammen können. Die beiden früher als spezifisch angesehenen Verbindungen 2-Methylfuran und 3-Methylfuran kommen auch im Tabakrauch vor.
Andererseits werden manche Substanzen, die wie Chloranisole nachweislich von Mikroorganismen gebildet werden, nicht zu den MVOC hinzugerechnet. Ebenso werden sie nicht in die Analyse auf MVOC mit einbezogen.
Bei MVOC-Messungen muss beachtet werden, dass die MVOC-Emission vom Alter und vom Wachstumsstadium des Schimmelpilzes abhängen. Auch der Schimmelpilzuntergrund hat Einfluss darauf, welche Verbindungen gebildet werden. Fachleute können aus dem Mengenverhältnis bestimmter Leitsubstanzen Rückschlüsse auf das Alter des Schimmelpilzschadens ziehen. Einen eindeutigen „MVOC-Indikator“ für ein Schimmelpilzwachstum gibt es nicht.
Zur Beurteilung gesundheitlicher Gefährdungen durch Schimmelpilze sowie etwaiger Sanierungsmaßnahmen sind MVOC-Messungen nicht geeignet.
Manche MVOC sind sehr geruchsintensiv und können durch eine olfaktorisch-psychische Reaktion unspezifische Beschwerden hervorrufen (Heinzow 2011).
Eine Analyse von MVOC wird von mehreren Instituten angeboten, jedoch sind zurzeit nur zwei Institute gemäß DIN EN ISO 17025 akkreditiert (nähere Informationen auf www.dakks.de). Zurzeit existiert jedoch noch kein standardisiertes Messverfahren für MVOC in Form einer Norm oder Richtlinie (Grün et al., 2013).
Biomonitoring
Die Messung flüchtiger organischer Verbindungen in der Atemluft oder im Blut ist nur bei ungewöhnlich hoher Belastung (etwa nach Lackierarbeiten in engen ungelüfteten Räumen) und dann auch nur während oder unmittelbar nach der Exposition sinnvoll. Die meisten flüchtigen organischen Verbindungen verbleiben nur kurz im Körper und werden rasch wieder ausgeatmet oder verstoffwechselt.
Die Erfassung von Stoffwechselprodukten flüchtiger organischer Verbindungen ist ebenfalls nur dann sinnvoll, wenn einzelne VOC-Vertreter in überdurchschnittlich hoher Konzentration vorliegen (beispielsweise Messung des Hexan-2,5-dion bei einer Belastung mit Kraftstoffen, Messung der Trichloressigsäure bei einer Trichlorethylenbelastung usw.). Im Falle der VOC ist eine umweltanalytische Untersuchung der Innenraumluft meist aussagekräftiger als ein Biomonitoring-Programm.
Grenzwerte und Richtwerte
Für etwa 170 Einzelstoffe hat der Ausschuss für die gesundheitliche Bewertung von Bauprodukten (AgBB) so genannte NIK-Werte (niedrigste interessierende Konzentrationen) festgelegt, um die Emission aus Bauprodukten zu charakterisieren.
Verbindliche Grenzwerte für die Summe der in der Innenraumluft vorliegenden VOC existieren derzeit nicht. Allerdings liegen Empfehlungen vor.
Als langfristiger Zielwert wurde von Seifert (1990) eine TVOC-Summenkonzentration (TVOC = Total Volatile Organic Compounds) von 0,3 Milligramm pro Kubikmeter vorgeschlagen, mit der Einschränkung, dass einzelne Stoffe oder Stoffgruppen nicht übermäßig stark vertreten sein dürfen. Dieser Wert wurde nicht toxikologisch abgeleitet, sondern stammt aus einer (älteren) Untersuchung zur durchschnittlichen VOC-Konzentration in Haushalten. Eine Überschreitung dieses Wertes ist als Anzeichen für eine VOC-Quelle im Innenraum zu werten, eine gesundheitliche Gefährdung kann daraus nicht abgeleitet werden.
Neuere Empfehlungen (Seifert 1999) nennen einen Bereich von 0,2 – 0,3 Milligramm pro Kubikmeter als wohnraumhygienisch wünschenswerten Zielwert. Es wird gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Zusammenhänge zwischen Konzentration und Wirkung noch nicht ganz schlüssig sind. Eine Überschreitung dieses Wertes darf daher nicht als Gefährdung verstanden werden, sondern sollte eher Anlass zur Quellensuche geben. Eine Dauerbelastung zwischen 1 und 3 Milligramm pro Kubikmeter sollte jedoch unterbleiben und kann allenfalls vorübergehend toleriert werden.
Zum Einfluss der Messmethode auf das Ergebnis gibt der Text zu ”Analytik” genauer Auskunft.
Richtwerte
Für einzelne Stoffe, die zu den VOC gehören, hat die Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) beim Umweltbundesamt Richtwerte erarbeitet.
Sie sind wie folgt definiert:
”Richtwert II (RW II) stellt die Konzentration eines Stoffes dar, bei deren Erreichen bzw. Überschreiten unverzüglich Handlungsbedarf besteht, da diese Konzentration geeignet ist, insbesondere für empfindliche Personen bei Daueraufenthalt in den Räumen eine gesundheitliche Gefährdung darzustellen. Je nach Wirkungsweise des betrachteten Stoffes kann der Richtwert II als Kurzwert (RW II K) oder als Langzeitwert (RW II L) definiert sein”. ”Richtwert I (RW I) ist die Konzentration eines Stoffes in der Innenraumluft, bei der im Rahmen einer Einzelstoffbetrachtung nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auch bei lebenslanger Exposition keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind. … Der RW I kann als Sanierungszielwert dienen. Er soll nicht ”ausgeschöpft”, sondern nach Möglichkeit unterschritten werden”.
Derzeit liegen Richtwerte für folgende Stoffe aus der Gruppe der VOC vor:
Verbindung | RW II (mg/ m3) | RW I (mg/ m3) | Jahr |
Toluol | 3 | 0,3 | 1996 |
Styrol | 0,3 | 0,03 | 1998 |
Terpene (bicyclisch) | 2 | 0,2 | 2003 |
Naphtalin | 0,02 | 0,002 | 2004 |
Zu den in manchen Lacken und Klebstoffen enthaltenen Diisocyanaten nimmt die Innenraumlufthygiene-Kommission wie folgt Stellung: ”Die Festlegung eines Richtwertes II für Diisocyanate … wurde in der Arbeitsgruppe nicht für sinnvoll erachtet, da trotz anfänglich höherer Luftkonzentrationen bei der Verarbeitung von Diisocyanat-haltigen Lacken und Klebern (…) die Konzentrationen in der Raumluft rasch abfallen und nach Beendigung des Aushärtevorgangs nicht mit einer Dauerexposition zu rechnen ist.”
Die WHO hat in ihren ”Air quality guidelines” (”Leitlinien für die Luftqualität”) Empfehlungen für die tolerierbare Konzentration einzelner Innenraumschadstoffe ausgesprochen (WHO 1999, 2014; siehe www.euro.who.int/en/health-topics/environment-and-health/air-quality/publications.
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Autor/innen: Dr. M. Otto | Prof. K. E. von Mühlendahl | J. Kiel, M. Sc. Zuletzt aktualisiert: 22.04.2023