Die Anatomie des Riechens

Der GeruchssinnDie Rezeptoren des olfaktorischen Systems liegen bei Säugetieren in der inneren Nase. In jeder Nasenhöhle befinden sich drei von den Nasenaußenwänden nach innen ragende, wulstartige Gebilde. Sie werden Nasenmuscheln genannt (Conchae nasales) und lenken den Luftstrom. Die Riechschleimhaut (Regio olfactoria) liegt oberhalb der oberen Nasenmuschel und ist beim Menschen mit etwa 5 cm² je Nasenhöhle gemessen an der des Hundes vergleichsweise klein. Dessen Riechschleimhaut ist etwa 2x25 cm² groß.

Die Rezeptoren der Sinneszellen befinden sich auf sog. Riechhärchen (Zilien). Während ein Mensch etwa 400 verschiedene Rezeptoren besitzt, verfügen Hunde und Ratten über 1.000 verschiedene Andockstellen für die Moleküle. Jede Sinneszelle bildet einen einzigen Rezeptortyp aus. Weil die Rezeptoren nicht selektiv für einen Duftstoff sind, kann ein Duftmolekül wahrscheinlich verschiedene Rezeptoren aktivieren (Hummel et al., 2013). Die Zellen mit den Rezeptoren werden alle 60 Tage erneuert. Dabei sterben die Riechzellen ab und bilden sich aus den darunter liegenden Basalzellen neu (Hatt 2003).

Riechen als Vorgang des zentralen Nervensystems

Wenn ein Säugetier etwas riecht, dann kommt es zur Anlagerung der Geruchsmoleküle an die Rezeptoren der Riechzellen. Durch die Bindung des Moleküls an den Rezeptor wird ein sogenanntes Guaninnucleotid-bindendes Protein, kurz G-Protein, aktiviert.

Die Reaktion ist als eine Schlüssel-Schloss-Reaktion zu verstehen. Das Duftmolekül ist der Schlüssel, der Rezeptor ist das Schloss und nur ein spezifischer „Molekülschlüssel“ kann das Rezeptorschloss öffnen bzw. aktivieren. Hierdurch wird eine Kaskade elektro-chemischer Reaktionen ausgelöst, die dafür sorgt, dass die Informationen am Riechhirn (Bulbus olfaktorius) gebündelt und ins Großhirn weitergeleitet werden (Hatt 2003). Nach einer Weile wird die Kaskade gestoppt, der Riechende hat sich an den Geruch gewöhnt (Hatt 2003).

Ungeübte können ca. 5.000 verschiedene Gerüche erkennen. Durch Training lässt sich die Identifizierungsquote auf etwa 10.000 Gerüche steigern.

Die Bewertung von Düften erlernen Kinder in den ersten fünf bis zehn Lebensjahren. Während Neugeborene bei den Geschmacksrichtungen süß oder bitter deutlich Lust- oder Unlustreaktionen zeigen, sind die Reaktionen auf Gerüche häufig indifferent.

Oftmals wird bei einer Geruchswahrnehmung zusätzlich das trigeminale System stimuliert, d.h. die Gerüche werden meist von zusätzlichen Empfindungen begleitet. Die Geruchsempfindung wird auf diese Weise mit weiteren Sinneseindrücken hinsichtlich Temperatur, Irritation, Schmerz, Kribbeln oder Brennen ausgestaltet. Bekannte Beispiele sind der Kühleffekt der Pfefferminze und der stechende Geruch von Ammoniak. Vermittelt werden diese Sinneseindrücke durch den Drillingsnerv (Nervus trigeminus). Weiterhin kann, anders als bei der reinen Geruchswahrnehmung, mit dem trigeminalen System festgestellt werden, auf welcher Seite die Reizung stattfand.

In Deutschland leiden etwa 5% der Bevölkerung an Anosmie, d.h. an der fehlenden Fähigkeit zu riechen. Eine Abnahme des Riechvermögens im Alter, sowie geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf die Geruchswahrnehmung sind normal. Personen, die ein vermindertes Riechvermögen besitzen, weisen eine begleitende Verschlechterung der trigeminalen Funktion auf (Hummel et al., 2013). Vor diesem Hintergrund ist es für die zukünftige Forschungsarbeit interessant, therapeutische Möglichkeiten für die Anosmie zu erarbeiten und die Ursache für das Nachlassen des Riechvermögens zu untersuchen, damit eine Prävention möglich wird.

Riechen und Schmecken

Unter „Riechen“ ist allgemein die chemosensorische Analyse der Atemluft zu verstehen. Die Geruchsmoleküle werden direkt aus der Umwelt über die Nasenhöhle zum Riechepithel transportiert (orthonasale Zufuhr). Davon zu unterscheiden ist die retronasale Analyse von Speisearomen. Hierbei gelangen die Aromen aus der Nahrung während des Kauvorgangs und des Schluckens über den Nasenrachenraum zu den Riechzellen in der Nasenhöhle. Dieser Vorgang macht die aromatische Analyse der Nahrung erst möglich, da die Zunge nur salzig, sauer, süß, bitter und umami schmecken kann. Umami ist eine Geschmacksrichtung, die besonders proteinreiche Nahrung wie Muttermilch oder Fleisch wahrnimmt.

Neben der ortho- bzw. retronasalen Analyse gibt es das hämatogene Riechen. Hier werden Riechstoffe wahrgenommen, die in die Blutbahn gelangt sind. Ein Beispiel hierfür ist das Myrtol, das in der Phytotherapie bei Entzündungen der Nasennebenhöhlen eingesetzt wird (Meister et. al. 1999).

Stand: 12. Februar 2020 - 12:08 Uhr

Autor/en: