Haarausfall durch Umwelteinflüsse?
Viele Patienten und auch Ärzte gebrauchen den Begriff Haarausfall missverständlich. Denn der Haarausfall (Effluvium) bezeichnet lediglich das aktive Ausfallen des Haares.
Gemeint ist oft jedoch der Zustand der aktuellen (geringen) Kopfbehaarung (Alopezie). Dieser resultiert aus dem Gleichgewicht zwischen Haarausfall und dem Haarwachstum (streng genommen können Patienten unter einer Alopezie leiden, ohne von verstärktem Haarausfall betroffen zu sein).
Es werden drei Arten des Haarausfalls unterschieden, die sich durch unterschiedliche Ursachen und Symptome kennzeichnen:
1. Anlagebedingter Haarausfall (Androgenetische Alopezie)
Entgegen einer verbreiteten Annahme liegt bei dem erblich bedingten Haarausfall keine hormonelle Störung vor. Es kommt zu keiner Zunahme der Testosteronproduktion (weder bei Männern, noch bei Frauen), sondern es liegt eine Überempfindlichkeit der Haarwurzel auf Dihydrotestosteron (DHT) vor. DHT wird mit Hilfe eines Enzyms aus Testosteron gebildet.
Diese Art des Haarausfalls äußert sich bei Männern durch die sogenannten „Geheimratsecken“ oder lichte Stellen am Hinterkopf. Bei Frauen tritt der Haarausfall vor allen Dingen am Scheitel auf.
2. Kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata)
Wie der Name schon andeutet, äußert sich der kreisrunde Haarausfall durch kreisrunde, lichte Haarstellen in einem oder mehreren Arealen des Kopfhaars.
Die genaue Ursache von kreisrundem Haarausfall ist nicht bekannt. Es wird jedoch vermutet, dass es sich um eine Autoimmunkrankheit handelt, wobei das Immunsystem die Abwehrzellen gegen das körpereigene Haar richtet.
3. Diffuser Haarausfall
Abgesehen von dem vererbten männlichen Haarausfall ist das „diffuse Effluvium“ die häufigste Form. Der Haarausfall verteilt sich über die gesamte Kopfhaut. Bei dem diffusen Haarausfall handelt es sich um eine Störung in den Haarzyklusphasen.
Kommt es zu einer ausschließlichen Unterbrechung der Anagenphase, so spricht man von diffusem Haarausfall im Spättyp. Das bedeutet, der Haarausfall setzt erst nach Beendigung der Telogenphase ein, was ca. drei bis sechs Monate nach dem eigentlichen Kontakt mit dem Auslöser sein kann.
Im Gegensatz dazu setzt der Haarverlust bei der Störung aller drei Phasen bereits nach wenigen Tagen oder Wochen ein. Man spricht von dem Effluvium vom Frühtyp.
Natürlich gibt es zwischen diesen beiden Extremformen noch weitere Zwischenformen, was bedingt ist durch die unterschiedliche Empfindlichkeit der Follikel auf diverse Auslöser.
Ursachen diffusen Haarausfalls
- Erkrankungen innerer Organe
Zu nennen sind hier vor allem Erkrankungen der Leber und der Schilddrüse. - Hormonelle Störungen
Ein Beispiel für eine hormonelle Störung sind polyzystische Ovarien, durch die der Östrogenspiegel herabgesetzt wird, was Haarausfall zur Folge haben kann. - Ernährung
Zu wenig Proteine, essentielle Fettsäuren und Spurenelemente sorgen für Störungen der Keratinsynthese und wirken sich damit auch auf den Haarwuchs und –ausfall aus. Bei einer Diät sollte der Wert von 1000 kcal/Tag nicht unterschritten werden (Ständer, Traupe und von Mühlendahl 1999). Auch Eisen, Zink, Kupfer und Biotin sind wichtig für das Haarwachstum. - Gängige Medikamente
Medikamente wie beispielsweise β-Blocker, Lipidsenker und in einer Chemotherapie eingesetzte Medikamente (Zytostatika) können Haarausfall auslösen (bei einer Chemotherapie oft zwischen dem 18. und 28. Tag nach Beginn), nach Absetzen der Medikamente sollte jedoch auch der Haarausfall wieder aufhören. Eine genaue Dosis ab wann der Haarausfall beginnt, kann nicht angegeben werden, da die Empfindlichkeit des Haarfollikels von Mensch zu Mensch variiert. - Geburt eines Kindes
Durch den Östrogenabfall nach der Schwangerschaft kann es zu Haarausfall kommen, dieser ist i.d.R. jedoch reversibel. - Schwere Erkrankungen
Bei schweren Infektionskrankheiten wie z.B. Tuberkulose ist der Haarausfall reversibel. Eine Ausnahme bildet die Erkrankung AIDS. Bei chronischen Erkrankungen (z.B. Morbus Crohn), wo die Nährstoffaufnahme im Verdauungstrakt gestört ist, kann es auch zu Haarausfall kommen. - Physikalische Auslöser
Schwere Strahlenunfälle können einen diffusen Haarausfall verursachen. Liegt die Dosis bei etwa 3,8 Gray (Gy) stellt sich nach ca. 3 Wochen ein diffuser Haarausfall ein, der jedoch nach ca. vier bis zwölf Wochen durch ein Wiederwachstum kompensiert wird. Diese Dosis wird aber nur bei gezielten radioonkologischen Behandlungen erreicht. Bei einer Dosis über 8 Gy kann es dagegen zu einem andauernden Haarverlust kommen. - Emotionaler Stress und psychische Störungen
Auch Stress kann nachweislich zu Haarausfall führen. Psychische Störungen sorgen dagegen selten für Haarausfall. Eine Ausnahme bildet die Verhaltensstörung Trichotillomanie, bei der es zu einem zwanghaften Haareausreißen kommt. - Chemische Auslöser
Je nach Dosis und Einwirkdauer können verschiedene chemische Substanzen eine Alopezie vom Früh- oder Spättyp auslösen:- Akute oder subkutane toxische Alopezie: Thallium, Kadmium, Quecksilber
- Diffuse Alopezie: Äthylurethan, Allylderivate (fettlöslich), Arsen, Bleitetraäthyl, Borate, Chloropren-Dimere, DDT, Hexachlorcyclohexan, Kadmium, Linolsäure, Monojodessigsäure, Ölsäure, Quecksilber-Derivate, Selen, Squalen, Thallium, Undecylensäure
- Tabakrauch
Eine Studie aus dem Jahr 2007 legt einen Zusammenhang zwischen Tabakrauch und verfrühtem männlichem Haarausfall nah. In der Untersuchung fragten die Forscher die Teilnehmer nach ihren Rauchgewohnheiten und wann der Haarausfall zuerst aufgetreten war. Es zeigte sich, dass die Haare umso schneller ausfielen, je intensiver die Probanden geraucht hatten. Dieses Ergebnis ist unabhängig von anderen Risikofaktoren wie Alter und Familienanamnese. Als mögliche Ursache vermuten die Forscher eine verminderte Durchblutung der Haarfollikel, DNA-Schäden an den Follikelzellen oder eine Störung des Hormonhaushalts durch das Rauchen (Su, Chen 2007). - Hohes Fieber
- Hämorrhagie (Blutung)
- Unfall/ Operationstrauma
Durch Umwelteinflüsse bedingter Haarausfall?
Seitens der Patienten wird immer häufiger angenommen, dass auch Umwelteinflüsse ursächlich für den Haarverlust ist. Es gibt jedoch nur wenige Untersuchungen, die einen Zusammenhang belegen können.
Es gilt, dass ein umweltbedingter Haarausfall sehr unwahrscheinlich ist, wenn nicht zeitgleich weitere schwerwiegende Vergiftungserscheinungen vorliegen.
Ob ein chemischer Stoff ursächlich für Haarausfall ist, hängt letztendlich von der aufgenommenen Dosis und der Einwirkdauer des jeweiligen Stoffes ab.
Ein Beispiel: Quecksilber kann grundsätzlich zu einem diffusen Haarausfall führen. Aber: die aus Amalgamfüllungen freigesetzte Quecksilbermenge reicht hierfür nicht aus. Dagegen kann die Einnahme von obsoleten Medizinprodukten (z.B. Merfen) zu einer Quecksilbervergiftung mit Haarausfall führen.
Ähnliches gilt für die Schwermetalle Kadmium und Thallium. Allerdings wird Thallium in der heutigen Zeit kaum noch verwendet, es sei denn Nahrungsmittel sind kontaminiert oder man nimmt in suizidaler Absicht bewusst Thallium zu sich. Dann ist Haarausfall ein wichtiges diagnostisches Kriterium, da es als alleiniges Symptom und Leitsymptom auftreten kann.
Bei einer Cadmiumvergiftung ist Haarausfall nur eine unter verschiedenen Vergiftungserscheinungen. Empfindlichste Zeichen einer Cadmiumintoxikation sind Störungen der Nierenfunktion. Aufgrund seiner Toxizität wird das Schwermetall aber immer weniger verwendet.
Chloropren-Dimere kommen ebenfalls als Auslöser für Haarausfall infrage, allerdings allenfalls bei beruflichen Expositionen.
Bevor ein Zusammenhang zwischen Haarausfall und bestimmten Substanzen in geringen Dosen gezogen wird, sollte beobachtet werden, ob nach einer Unterbrechung der Exposition das Haarwachstum wieder stattfindet und ob bei einer Re-Exposition ein erneuter Haarausfall beobachtet werden kann.
Wenn Umweltstoffe tatsächlich ein Auslöser für den Haarverlust sind, wird sich dieses in der Regel als diffuser Haarausfall äußern.
Diagnose
Der diffuse Haarausfall kann viele Ursachen haben und stellt aus diesem Grund Ärzte vor diagnostische und therapeutische Schwierigkeiten.
Zunächst steht bei Haarausfall die Anamnese im Vordergrund, um zu klären ob es sich um Haarausfall (Effluvium) oder sichtbare Haarlosigkeit (Alopezie) handelt.
Bei vorliegendem Haarausfall wird der Dermatologe eine Statusanalyse der Haarwurzel (Trichogramm) veranlassen. Die entfernten Haare werden mikroskopisch untersucht, sodass Auskunft über das Wachstumsverhalten gegeben werden kann.
Bei einem Effluvium des Spättyps wird man feststellen, dass eine Erhöhung der Haare im Telogenstadium vorliegt. Im Gegensatz dazu wird man bei dem Frühtyp feststellen, dass viele dystrophische Haare vorliegen. Dieses sind Haare, die stark geschädigt sind. Haare im Telegonstadium sind hier nicht oder nur mäßig erhöht zu finden.
Das Trichogramm erlaubt jedoch keinen Rückschluss auf den Auslöser, sondern lediglich auf die Intensität und möglicherweise die Dauer, in welcher man einem Stoff ausgesetzt war. Des Weiteren liegt bei jedem Menschen eine andere Haarempfindlichkeit vor, sodass sich im Trichogramm unterschiedliche Muster ergeben.
„Daher stellt eine genaue Anamnese, die auch den Zeitraum von vier bis sechs Monaten vor dem Effluvium erfassen muß, die einzige Möglichkeit dar, auf die schädigende Noxe zu schließen“ (Ständer, Traupe und von Mühlendahl 1999).
Um auslösende Umweltfaktoren zu identifizieren, sollte der Haarausfall zunächst genau eingeordnet werden (z.B. vernarbend oder nicht vernarbend).
In einigen Fällen (z.B. bei Alopecia areata oder bei vernarbenden Alopezien) ist die Ursache schnell erkennbar und es sind keine weiteren Untersuchungen auf eine umweltbedingte Belastung notwendig.
Gibt es jedoch keinen Hinweis auf eine Ursache, kann ein „kleines Laborprogramm“ Aufschluss geben. In Einzelfällen kann auch eine Kontrolle der Leber-, Nieren-, Schilddrüsenwerte und der Eiweißelektrophorese sinnvoll sein.
Bei einem Verdacht auf eine Vergiftung ist eine Quecksilber- (Urin), Blei- (EDTA-Blut), Kadmium (Urin oder EDTA-Blut) und Thalliumuntersuchung (EDTA-Blut) angezeigt. Sollte die Ursache in der Ernährung liegen, sollten zum Beispiel die Eisenwerte überprüft werden; bei hormonellen Störungen sollte der Hormonhaushalt im Serum untersucht werden. Eine Übersicht über die Diagnosemöglichkeiten gibt die nachfolgende Tabelle.
Laboruntersuchungen zur Abklärung eines diffusen Effluviums |
|
Kleines Laborprogramm |
Blutsenkung, Blutbild, Eisen, Ferritin im Serum |
Erweitertes Laborprogramm |
„Kleines Laborprogramm“ + Eiweißelektrophorese Laborprogramm Leber-, Nieren-, Schilddrüsenwerte |
Vergiftung |
Vergiftung Quecksilber (Urin), Blei (EDTA Blut), Kadmium |
Mangelerscheinung |
Eisen, Ferritin, Kupfer, Zink |
Hormonelle Abklärung |
Prolaktin, DHEAS, Testosteron, SHBG, LH, FSH |
Quelle: Ständer, Traupe und von Mühlendahl 1999
Jede Form von Haarausfall sollte beim Hautarzt abgeklärt werden. Wenn alle möglichen Ursachen wie Nährstoff- oder Mineralienmangel, Essstörungen, Hormonstörungen, Autoimmunerkrankungen, Karzinome oder innere Erkrankungen ausgeschlossen sind, bleiben die Ursachen für den diffusen Haarausfall meist ungeklärt.
Äußere Einflüsse wie Schwimmbadwasser oder Haarpflegeprodukte verändern/verfälschen das Ergebnis der Haaranalyse.
Entscheidend für Haarausfall ist der Zustand der Haarwurzeln. Durch eine ausgewogene Ernährung kann eine optimale Versorgung der Haare gewährleistet werden.
Über die genannten Untersuchungen hinausgehende „Umweltuntersuchungen“, welche auf Laboranalysen beruhen, sind nicht sinnvoll.
Mehr zu dieser Thematik finden Sie auf Allum unter "Was leistet die Haaranalyse".
Stand: 22. Januar 2020 - 20:26 Uhr
Autor/en:
Grafik oben rechts (Glatze): © duxschulz / pixelio.de.