Pflanzeninhaltsstoffe
Viele gesundheitsbewusste Verbraucher streben eine natürliche Lebensweise an. Eine Ernährung mit einem hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel gilt in der Bevölkerung, aber auch unter Ernährungsfachleuten als gesund.
Zwischen gesund und giftig: Nicht alle natürlichen Pflanzeninhaltsstoffe sind unbedenklich...
Oft wird pflanzlichen Stoffen per se unterstellt, dass sie sicher sind. Insbesondere unbehandelte Kräuter, Früchte und Gemüse, seien „Natur pur“ und daher unbedenklich.
Doch Pflanzen enthalten auch von Natur aus problematische Substanzen. Viele werden sich noch an die Diskussionen um den Cumaringehalt von Zimtgebäck erinnern, der vor einigen Jahren zur Weihnachtszeit Schlagzeilen machte. Aber auch Estragol und Methyleugenol in Gewürzen, Kräuterdrogen und im Fencheltee oder auch die Pyrrolizidinalkaloide in Oregano/Majoran standen bereits im Mittelpunkt des Interesses.
Im Juli 2007 hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) das vierte BfR-Forum Verbraucherschutz veranstaltet. Hier ging es um die Bewertung von pflanzlichen Stoffen in Lebens- und Futtermitteln. Teilnehmer kamen aus der Wissenschaft, der Lebensmittelindustrie und Futtermittelproduktion sowie aus dem Verbraucherschutz.
Im Mittelpunkt standen viele zum Teil gut bekannte Pflanzeninhaltsstoffe, von denen einige nicht nur in ihrer traditionellen Form, sondern immer häufiger auch isoliert verwendet werden, zum Beispiel in neuartigen Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln oder Medikamenten:
Phytoöstrogene
Seit einigen Jahren sind pflanzliche Mittel gegen Wechseljahresbeschwerden erhältlich, die oftmals als „nebenwirkungsfrei“ angepriesen werden. Sie enthalten meist sogenannte Phytoöstrogene. Darunter versteht man pflanzliche Stoffe, die im Körper – in hoher Konzentration – ähnlich wie das weibliche Sexualhormon 17-Beta-Östradiol wirken. Die östrogene Wirksamkeit der Phytoöstrogene ist jedoch mindestens 100-1000mal schwächer als die des Beta-Östradiols.
Bekannte Phytoöstrogene sind die Stoffgruppen der Isoflavone und Lignane, wobei nur Isoflavone in den Mitteln gegen Wechseljahresbeschwerden verwendet werden. Sie kommen in natürlicher Form insbesondere in der Sojabohne und damit in Sojaprodukten (Tofu, Sojamilch, usw.), aber auch in Schälerbsen, Kichererbsen und Linsen sowie in Rotklee vor.
Allerdings sind der Einsatz und die Wirksamkeit solcher pflanzlicher Präparate bei Wechseljahresbeschwerden nicht unumstritten. Das BfR äußerte in seiner Stellungnahme vom 3. April 2007, dass die positiven Wirkungen von isolierten Isoflavonen bisher nicht ausreichend gesichert sind. Nebenwirkungen wie Übelkeit, Verstopfungen, Schwellungen und Rötungen hängen vermutlich nicht direkt mit den Isoflavonen zusammen sondern sind eventuell allergische Reaktionen gegen das Sojaeiweiß.
Isoflavone können jedoch, wenn sie isoliert und in hoher Konzentration gegeben werden, die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen und das Brustdrüsengewebe verändern, was die Entwicklung von Brustkrebs fördern könnte. Eine Einnahme ist somit insbesondere für Frauen in den Wechseljahren riskant, da diese generell ein erhöhtes Risiko haben, Brustkrebs zu entwickeln.
Langzeituntersuchungen zur Sicherheit von isoflavonhaltigen Präparaten liegen noch nicht vor.
Auch Babynahrung auf Sojabasis enthält Isoflavone (etwa 3 mg pro 100 ml trinkfertige Nahrung). Aus Tierversuchen liegen Hinweise auf mögliche nachteilige gesundheitliche Wirkungen auf die Reproduktionsorgane und die Fertilität vor (allerdings bei sehr hohen Konzentrationen).
Vorsorglich rät die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (2006): „Säuglingsnahrungen auf der Basis von Sojaproteinisolaten sollten nur mit begründeter Indikation eingesetzt werden, da Nachteile wegen ihrer Gehalte an Phytat, Aluminium und Phytoöstrogenen nicht auszuschließen sind.“
Ähnliche Empfehlungen kommen aus der Schweiz, Großbritannien und Frankreich.
Die Anwendung von isolierten Phytoöstrogenen als Nahrungsergänzungsmittel und die hohen Konzentrationen in Säuglingsnahrung aus Sojaproteinen sind jedoch nicht mit der Aufnahme von Phytoöstrogenen aus Sojanahrungsmitteln in der alltäglichen Ernährung zu vergleichen: Die Aufnahme von Phytoöstrogenen ist bei einer abwechslungsreichen Nahrung weitaus niedriger als in den oben beschrieben Fällen, selbst wenn - wie beispielsweise in Asien - viele Sojaprodukte verzehrt werden.
Beta-Carotin
Beta-Carotin ist eine Vorstufe von Vitamin A. Es ist in Obst (z.B. Aprikosen, Mangos) und Gemüse (z.B. Möhren, Spinat, Kresse) vorhanden und wird in isolierter Form als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Ihm werden viele positive Wirkungen nachgesagt, unter anderem soll Beta-Carotin zu einer besseren Hautbräunung führen. Inzwischen wird empfohlen, Nahrungsergänzungsmittel mit Beta-Carotin nur mit Vorsicht einzusetzen. Rauchern wird von einer Einnahme gänzlich abgeraten, da Beta-Carotin in hoher Dosierung in diversen Studien zu einem Anstieg der Lungenkrebsrate und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Rauchern führte.
Furocumarine
Furocumarine sind phototoxisch wirkende, hitzestabile Stoffe. Sie kommen in manchen Lebensmitteln (z.B. Sellerie, Pastinaken oder Petersilie) in so hohen Konzentrationen vor, dass sie in Verbindung mit Sonnenlicht schon in ihrer natürlichen Form Beschwerden auslösen können. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um Hautbeschwerden. In Tierversuchen wurden - im Zusammenhang mit UV-Licht - zudem kanzerogene Eigenschaften beobachtet.
Bereits eine große Portion Sellerie kann bei empfindlichen Personen unter Sonnenbestrahlung lang anhaltende Hautbeschwerden verursachen. Der Hautkontakt mit dem Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum, auch Herkulesstaude) kann bei Sonneneinstrahlung zu massiven Hautschäden führen.
Der natürliche Gehalt an Furocumarinen in Früchten und anderen Pflanzen schwankt jedoch enorm. Mikrobielle Infektionen und lange Lagerung können die Konzentration erheblich erhöhen. Da Furocumarine in kaltgepressten Ölen von Zitrusfrüchten vorkommen, die häufig als Aromazusatz verwendet werden, sind sie in vielen aromatisierten Produkten (z.B. Cola-Getränken) enthalten, jedoch in weitaus geringerer Konzentration als beispielsweise im Sellerie.
Morphin in Mohn
In den letzten Jahren erregten vereinzelte Berichte über Vergiftungen durch Mohn und Schlagzeilen wie „Erhöhte Morphingehalte im Urin nach Mohnkuchen-Verzehr, Problem bei Drogenkontrollen“ die Aufmerksamkeit. In der Tat stammt das Rauschmittel Opium, das den bewusstseinsverändernden Stoff Morphin enthält, von der gleichen Pflanze wie die essbaren Mohnsamen. Mohnsamen sind eigentlich morphinfrei, können aber erntebedingt damit kontaminiert sein. Mohn aus Australien war oft besonders belastet.
Morphin wird als Medikament zur Linderung starker Schmerzen und Schlaflosigkeit verwendet. Der Verzehr von großen Mengen kontaminierter Mohnsamen kann zu Müdigkeit, Benommenheit und Magen-Darm-Problemen führen. Die maximale tägliche Aufnahmemenge wurde bisher erst vorläufig bestimmt. Sie liegt um den Faktor 5 unter der niedrigsten bekannten Einzelwirkdosis von 1,9 mg und beträgt 6,3 µg pro kg Körpergewicht. Ein Stück Mohnkuchen, das als das Lebensmittel mit dem höchsten Mohngehalt gilt, hat einen Morphingehalt von schätzungsweise 0,5 mg, wobei der Gehalt sehr schwanken kann. Hochkontaminierter Kuchen kann bis zu 25 mg Morphin pro Stück enthalten, dies ist allerdings eine worst case-Betrachtung (Bayrisches Landsamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, 2007)
Bei einem moderaten Verzehr von qualitativ hochwertigem Mohn sind keine negativen Auswirkungen zu erwarten (www.lgl.bayern.de).
Exposition durch tierische Lebensmittel
Pflanzliche Inhaltsstoffe können vom Menschen auch über den Verzehr von Milch, Eiern oder Fleisch aufgenommen werden, wenn die Tiere zuvor die betreffenden Pflanzeninhaltsstoffe aufgenommen haben. Hierbei gelangen jedoch – wenn überhaupt – nur geringe Mengen der jeweiligen Stoffe zum Endverbraucher.
Stand: 5. Oktober 2020 - 10:48 Uhr
Autor/en: