Tenside und kindliche Haut
Welche Tenside reinigen die kindliche Haut, ohne sie dabei übermäßig zu reizen?
Die Barrierefunktion der Haut kommt hauptsächlich durch die Hornschicht (Stratum corneum) zustande. Sie ist nur wenige Mikrometer dick, spielt aber eine wesentliche Rolle beim Schutz vor dem Eindringen potentiell schädlicher Keime (auch durch den leicht sauren pH-Wert) und sorgt darüber hinaus für eine effiziente Thermoregulation, für den Gasaustausch und schützt vor Wasserverlusten.
Die kindliche Haut erfordert einen besonderen Schutz. Hautreinigungsmittel für Kinder sollten besonders mild sein, um den natürlichen Barriereschutz der Haut aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Schmutz, Talg, Schuppen, Urin und Fäkalien sicher zu entfernen (Telofski et al. 2012).
Hierzu sind klassische Alkaliseifen weniger geeignet: sie können u.a. den Haut-pH erhöhen und die interzelluläre Lipidmatrix der Hornschicht (wichtig für die Wasser-Barrierefunktion!) angreifen. Alkaliseifen können damit zu einer (unerwünschten) Trockenheit der Haut und einer möglichen Hautreizung beitragen.
Ein ideales Hautreinigungsmittel sollte ein oberflächenaktives Agens (ein so genanntes Tensid) enthalten, das mit seinen gleichzeitig hydrophilen (wasserfreundlichen) und lipophilen (fettfreundlichen) Eigenschaften die Oberflächenspannung zwischen Fett/Öl und Wasser besonders gut herabsetzt und Fette emulsifiziert, ohne dabei die Haut zu reizen.
Hauptsächlich sind folgende oberflächenaktive Stoffe im Gebrauch:
1. Anionische Tenside wie z. B. Sodium Lauryl Sulfate (SLS) oder Sodium Laureth Sulfate (SLES)
2. Nichtionische Tenside z. B. Poloxamere
3. Amphoterische Tenside z. B. Cocamidopropyl Betaine
Die Schaumwirkung und schonende Reinigungswirkung hängen von der Oberflächenladung der hydrophilen Kopfgruppe des Tensids sowie von der Fähigkeit zur Mizellenbildung ab. Mizellen (vgl. z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Mizellen) schließen Öle und Fette in ihre Mizellstruktur ein und sind dadurch in der Lage, diese effizient von der Hautoberfläche zu entfernen.
Nichtionische Tenside auf der Basis von Polyethylenoxid-Abkömmlingen (z. B. PEG-80 Sorbitan Laurate) weisen - aufgrund der Mizellenstabilisierung - eine besonders schonende Reinigungswirkung auf.
Anionische und amphoterische Tenside können zwar einen guten Schaum liefern, was aus optischen Gründen z.B. für ein Shampoo durchaus wünschenswert ist, auf der anderen Seite sind sie weniger hautschonend als nichtionische Tenside.
Anionische Tenside können aufgrund ihrer Ladung und ihrer Eigenschaft, eher kleine Mizellen zu bilden, die Haut stärker reizen als andere Tenside. Ein Beispiel hierfür ist Sodium Lauryl Sulfate (SLS), ein sehr effektives Reinigungsmittel mit guter Schaumwirkung, das aber je nach Konzentration und Anwendungsart eine Hautreizung bewirkt.
Neuerdings werden vermehrt "sulfatierte ethoxylierte Alkohole" (Sodium Laureth Sulfate = SLES) eingesetzt. Sodium Laureth Sulfate/SLES hat die Fähigkeit, große Mizellen zu bilden und damit eine verbesserte milde Reinigungswirkung im Vergleich zu SLS zu erzeugen. Auch die Schädigung der epidermalen Barrierefunktion ist bei SLES geringer als bei SLS.
Ein konkretes Beispiel: Nach 7 Tagen gab es bei SLES auch bei der höchsten getesteten Konzentration von 2 % keine Hautreizung bei erwachsenen Probanden. Der CIR (= Cosmetic Ingredient Review) kam in 2010 zu dem Schluss, dass SLES ein sicherer Kosmetikinhaltsstoff ist, wenn er bestimmungsgemäß angewendet wird (Robinson et al. 2010).
Tensidkombinationen
In der Kosmetikindustrie werden auch Rezepturen verwendet, in denen eine Mischung aus anionischen und amphoterischen Tensiden zum Einsatz kommt, die – verglichen mit einem anionischen Tensid allein - eine deutlich mildere Reinigungswirkung bei gleichzeitig verringerter Hautreizung zeigt. Sie ist daher besonders geeignet bei Patienten mit atopischer Dermatitis.
Auch Tenside auf der Basis hydrophob modifizierter Polymere (HMPs), sind geeignet: Sie treten in Wechselwirkung mit hydrophoben Strukturen anderer Tenside und bilden größere und stabile Mizellen aus. Größere Mizellen werden aufgrund ihres geringeren Reizpotentials besser toleriert.
Kinder
Für Kinder geeignete Körperreinigungsmittel sollten bevorzugt auf der Basis von solchen Tensiden hergestellt werden, die große Mizellen bilden und die Haut wenig reizen. Dazu gehören amphoterische, nichtionische und ethoxylierte anionische Tenside (SLES). Der Einsatz von SLS-haltigen Körperreinigungsmitteln wäre demnach nicht zu empfehlen.
Die Zusammensetzung des Reinigungsmittels sollte den pH-Wert der Haut möglichst nicht oder nur minimal verändern. Ferner sollte das Mittel unempfindlich gegenüber mikrobiologischem Befall sein.
Wissenswertes zu Sodium Lauryl Sulfate (Natriumlaurylsulfat, SLS)
- Es gibt Hinweise aus der Literatur (Cua et al), dass die Haut von jungen Erwachsenen empfindlicher als die Haut älterer Menschen ist. Das Ausmaß der Hautreizung durch SLS hängt überdies stark von der Hautregion ab.
- Die Hautreizung durch SLS und SLES ist reversibel (Branco et al, 2005), wobei im Falle des SLES die Regeneration schneller erfolgt.
- Die gleichzeitige Einwirkung von Reinigungsmitteln auf der Basis von SLS und organischen Lösemitteln (z.B. Benzin) verstärkt die Schädigung der Hornschicht und erhöht den transepidermalen Wasserverlust.
- Eine etwas ältere Studie aus dem Jahr 1997 zeigt, dass bei der Verwendung von Zahnpasten auf der Basis von SLS Aphten häufiger im Mundbereich auftreten als bei Zahnpasten ohne SLS.
- Das Tensid Natriumlaurylsulfat (SLS) wird auch in der dermatologischen Hauttestung zur Untersuchung irritativer Reaktionen eingesetzt. Der Test wird visuell oder mit Hilfe von hautphysiologischen Messmethoden ausgewertet. Insbesondere kommen hier die Messung des transepidermalen Wasserverlustes, aber auch die Laser Doppler-Rheometrie und die Corneometrie zum Einsatz.
- Bei richtiger Anwendung kann der SLS-Hautreizungstest wertvolle Aufschlüsse über die individuelle Hautirritabilität geben.
Stand: 18. Februar 2021 - 13:45 Uhr
Autor/en:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tenside