Umwelt und prinzipiell vermeidbare Krebserkrankungen
Viele Menschen haben Angst vor Krebserkrankungen; und viele empfinden die Umwelt als zunehmend vergiftet. Deshalb wird häufig beides kausal verknüpft.
Das ist zwar grundsätzlich nicht falsch. Dabei muss man aber Ausmaße von Risiken quantifizieren, um zu einer realistischen Einschätzung von Gefährdungen zu gelangen. Dazu haben Mitarbeiter des Deutschen Krebsforschungsinstitutes (DKFZ) kürzlich drei Arbeiten im Deutschen Ärzteblatt publiziert, nämlich Abschätzungen von vermeidbaren Krebsrisiken.
Jährlich gibt es in Deutschland ca. 440.000 Neuerkrankungen an bösartigen Tumoren. Grundsätzlich vermeidbare, für die Krebsentstehung bedeutende Ursachen sind vor allem Bedingungen der allgemeinen Lebensführung. Deren Anteil wird seitens des DKFZ mit mehr als einem Drittel aller jährlicher Neuerkrankungen (165.000, 37,4%) eingeschätzt. Dazu gehören:
- Tabakrauchen (fast 20%),
- ungesunde Ernährungsgewohnheiten,
- Übergewicht und Bewegungsmangel (zusammen über 10%),
- Infektionen (4%) und
- Alkoholkonsum (2%).
Infektionen spielen bei den vermeidbaren Umweltfaktoren mit 4% eine nicht unbeachtliche Rolle (Tabelle 1).
Für die Umweltfaktoren Passivrauchen, Feinstaub, Solariennutzung und Radon in Innenräumen. nennen die Studien einen Prozentanteil von insgesamt 1,2%. Details zu dieser Aussage sind Tabelle 2) zu entnehmen.
Ähnlich niedrig oder noch geringer dürfte die Bedeutung von anderen, vielzitierten Belastungen mit nachgewiesener oder vermuteter Kanzerogenität sein (Dioxine, Herbizide wie Glyphosat, Insektizide, Schwermetalle usw.).
Kommentar
Die Kanzerogenität von chemischen und physikalischen Umweltbelastungen steht häufig im Zentrum des Interesses und der Debatten. Diese Eigenschaft ist quantitativ als weniger bedeutend einzustufen.
Deshalb dürfen allerdings Schadstoffe und Rückstände in unserer Umwelt – etwa in Nahrungsmitteln und in der Luft – nicht verharmlost werden. Das gilt insbesondere für krebserzeugende, erbgutverändernde und fortpflanzungsgefährdende oder persistente und bioakkumulierbare Stoffe: SVHC („substances of very high concern“). Viele Bedenken sind gut begründet und betreffen langfristig wichtigere Bereiche als deren Kanzerogenität: Allergieentwicklung, Schädigung von Herz und Lunge, endokrine Disruption, Störung der Entwicklung in der Embryonalzeit (wahrscheinlich durch ansonsten subtoxische, ganz niedrige Dosen) und – nicht zu vergessen – Umwelttoxizität für Fauna und Flora.
Wenn auch der Gedanke an eine vollständige Vermeidbarkeit illusorisch bleiben muss, so ist eine Minimierung einiger der genannten Umweltfaktoren durch geeignete Maßnahmen möglich:
- Impfungen,
- Sanierung von Privatwohnungen, um die Radonexposition zu vermindern,
- Verhinderung von Passivrauchen,
- Herabsetzung der Außenluft-Verschmutzung.
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Zahl der jährlichen Krebsfälle |
Prozentualer Anteil an der Gesamtinzidenz |
Infektionen |
17633 |
4,00% |
Helicobacter pylori: Karzinome und Lymphome des Magens |
8764 |
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Humanes Papillomavirus: Genitalmalignome |
7669 |
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Hepatitis B und C: Lebertumore |
984 |
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HIV-Virus: Non-Hodgkin-Lymphom |
144 |
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Humanes Herpesvirus 8: Kaposi-Sarkom |
116 |
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Tabelle 1) Prinzipiell vermeidbare, durch Infektionen hervorgerufene Krebserkrankungen
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Zahl der jährlichen Krebsfälle |
Prozentualer Anteil an der Gesamtinzidenz |
Ausgewählte Umweltfaktoren |
5338 |
1,20% |
Passivrauchen |
309 |
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Radon in Innenräumen |
3185 |
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Feinstäube |
1049 |
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Solariennutzung |
892 |
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Tabelle 2) Prinzipiell vermeidbare, durch einige Umweltfaktoren bedingte Krebserkrankungen
Weitere Informationen auch unter www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken/umweltgifte.php.
Literaturquellen
Mons U et al. Krebs durch Rauchen und hohen Alkoholkonsum DOI: 10.3238/arztebl.2018.0578
Behrens G et al. Krebs durch Übergewicht, geringe körperliche Aktivität und ungesunde Ernährung
DOI: 10.3238/arztebl.2018.0578
Gredner T et al. Krebs durch Infektionen und ausgewählte Umweltfaktoren
DOI: arztebl.2018.0586
Stand: 17. Februar 2021 - 15:39 Uhr
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