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Brief an Bundesministerien zur Revision der Luftqualitätsrichtlinie der EU

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In einem Brief an die Bundesminister/innen Lemke, Lauterbach und Habeck haben verschiedene große medizinische Fachgesellschaften sowie die Bundesärztekammer und der Deutsche Allergie- und Asthmabund rechtlich verbindliche Grenzwerte und weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität im Rahmen der EU-Luftqualitätsrichtlinie eingefordert. Zu den Unterzeichner/innen gehört auch Dr. Thomas Lob-Corzilius als Vertreter der Kinderumwelt gGmbH (Trägerin von Allum).

Luftverschmutzung ist der größte umweltbedingte Risikofaktor für die Gesundheit.

Zurzeit wird auf EU-Ebene die EU-Luftqualitätsrichtlinie (AAQD) überabeitet, ein zentrales Gesetz für den Gesundheitsschutz der Menschen in Deutschland und Europa.

Seit der letzten Überarbeitung des Gesetzes im Jahr 2008 hat sich die Evidenz zu den negativen Folgen der Luftverschmutzung deutlich verbessert. Luftschadstoffe sind entweder anerkannt als Ursache oder stehen im Zusammenhang mit einer Vielzahl von schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs-, Herz-Kreislauf-, Atemwegs- (z.B. Asthma, COPD) und neurodegenerativen Erkrankungen (Alzheimer, Parkinson).

Neue Studien (zuletzt durch die Europäische Umweltagentur EEA) betonen die besondere Gefährlichkeit für Kinder mit erhöhtem Erkrankungsrisiko auch Jahrzehnte nach Exposition. Eine weitere besonders vulnerable Gruppe sind Menschen mit Vorerkrankungen, alte Menschen oder Menschen in prekären Lebenslagen.

Die unterzeichnenden Organisationen des Gesundheitssektors fordern Sie auf, sich bei der Revision der EU-Luftqualitätsrichtlinie dafür einzusetzen, dass der Gesundheitsschutz an erste Stelle gesetzt wird, um die Krankheitslast durch Luftverschmutzung schnell und nachhaltig zu senken und damit auch den Klimaschutz zu stärken. Bitte tragen Sie dazu bei, dass die Revision bis zu den Europawahlen 2024 abgeschlossen ist.

Es ist wissenschaftlich belegt, dass Luftschadstoffe auch unterhalb der jetzt geltenden EU-Grenzwerte immer noch die Gesundheit, das Klima und die Natur belasten (z.B. durch Nährstoffeintrag). In Europa sterben jedes Jahr mehrere hunderttausend Menschen vorzeitig an den Folgen der Luftverschmutzung. Schlechte Luftqualität verkürzt die durchschnittliche Lebenserwartung in Europa um etwa ein bis über zwei Jahre.

Durch Einhaltung der Richtwerte der WHO für Feinstaub (PM2.5) können laut Europäischer Umweltagentur EEA mehr als die Hälfte der vorzeitigen Todesfälle in der EU vermieden werden.

Luftverschmutzung ist auch ein gravierendes Problem für die Natur, mit Kosten von bis zu 54 Milliarden Euro pro Jahr. Die Folgenabschätzung, die die EU-Kommission für den Revisionsprozess gemacht hat, zeigt auf, dass die Kosten für technische Maßnahmen zur Luftreinhaltung um ein Vielfaches geringer sind als die aktuellen durch Luftverschmutzung bedingten Kosten für unsere Gesundheit und das Gesundheitssystem. Weitere, indirekte Klima- und Umweltkosten sind dabei noch nicht einmal eingerechnet.

Auf Basis ihres umfassenden wissenschaftlichen Reviews (September 2021) empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) deutlich niedrigere Richtwerte für die wichtigsten Luftschadstoffe, insbesondere für Feinstaub und Stickstoffdioxid (siehe Tabelle im Anhang dieses Schreibens).

Bitte unterstützen Sie:

  • die vollständige Angleichung der EU-Grenzwerte an die WHO-Richtwerte bis spätestens 2030 (für Feinstaub (PM2,5 und PM10), Stickstoffdioxid (NO2), Schwefeldioxid (SO2) und Ozon (O3), sowie das Schließen der Schlupflöcher bei der Grenzwert-Einhaltung (z.B. Einbezug aller vom Menschen verursachten Emissionen in Luftqualitätsmaßnahmen). Für Ozon und Ultrafeinstaub soll ein Grenzwert gesetzt werden.
  • rechtlich verbindliche Grenzwerte, um alle Menschen gleichermaßen zu schützen und so ihr Leben zu verlängern. Nur klare Grenzwerte – keine Zielwerte oder ein Fokus auf “Expositionsreduktion” – bieten Schutz auch für die Schwächsten und Menschen an stark belasteten Orten.
  • eine bessere Aufklärung der Öffentlichkeit zu den Gesundheitsrisiken der Luftverschmutzung durch Nutzung aller vorhandenen Möglichkeiten z.B. durch Luftqualitätsindices (UBA, EEA) und Handy-Warnungen für alle an Tagen mit schlechter Luftqualität.
  • Verbesserungen beim Monitoring durch eine größere Dichte der Messstationen und durch Messung eines größeren Spektrums von gesundheitlich relevanten Luftschadstoffen (z.B. Ultrafeinstaub und PM2,5) an allen Messstationen (Repräsentativität).
  • eine unabhängige Bewertung der Datenlage zu den Gesundheitsauswirkungen von Luftverschmutzung durch die Weltgesundheitsorganisation, als Teil des regelmäßigen Überprüfungs-Zyklus.

Die Revision der EU-Luftqualitätsrichtlinie ist eine sehr wichtige Gelegenheit, die Gesundheit der Menschen zu schützen und die Klimakrise mit ihren zusätzlichen negativen Folgen für die Gesundheit einzudämmen, denn Luftverschmutzung und Klimakrise haben oft gemeinsame Ursachen (insbesondere die Verbrennung fossiler Energien und die Verbrennung von Holz). Selten sind daher die Synergien zwischen Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutz so groß wie bei der Bekämpfung der Luftverschmutzung.

Nutzen Sie bitte die Chance, die Luftqualität in Europa zum Wohle der menschlichen Gesundheit, des Klimas und der Umwelt deutlich zu verbessern.

Damit werden nicht nur menschliches Leid und immense gesellschaftliche Folgekosten verringert, sondern Sie kommen damit auch Ihrer Verantwortung nach, die natürlichen Lebensgrundlagen folgender Generationen zu schützen.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. med. Martin Herrmann, Vorstand, Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V.
und weitere Unterzeichner/innen

Den Brief als PDF-Dokument mit einer Übersicht der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Grenzwerte für Luftschadstoffe finden Sie hier.

Autor/innen: U. Voss, M. A., Dr. T. Lob-Corzilius    Zuletzt aktualisiert: 23.01.2024

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