Gesundheitliche Bewertung

Toxikologische Daten zu Bisphenol ABisphenol A

Bisphenol A (BPA) wird seit ca. 50 Jahren toxikologisch untersucht. Es ist nicht akut giftig, ruft keine Veränderungen am Erbgut hervor, ist nicht fruchtschädigend und wirkt auch nicht krebserzeugend (SCF 2002).

Die Fähigkeit von Bisphenol A zur Bioakkumulation wird als gering eingeschätzt.

Bisphenol A gehört zu den Stoffen mit hormonähnlicher (u. a. östrogenartiger) Wirkung. Studienergebnisse zu Auswirkungen auf den Stoffwechsel (Gewichtszunahme, Auswirkungen auf die Brustdrüsen/ Verhalten/ Angstgefühle) sind widersprüchlich. Derzeit ist Bisphenol A als "reproduktionstoxisch Kategorie 2" ("hinreichende Anhaltspunkte zu der begründeten Annahme, dass die Exposition eines Menschen gegenüber dem betreffenden Stoff zu einer Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit führen kann") eingestuft. Am 12.3.2014 hat das Risc Assessment Committee der ECHA eine Umstufung in die Kategorie 1 B vorgeschlagen. 

Studienqualität 

Studien und Tierexperimente zu Bisphenol A sind methodisch sehr anspruchsvoll, insbesondere im Niedrigdosisbereich:

  • Die Art der Versuchsdurchführung ist wichtig: z.B. sollte der Gehalt an Phytoöstrogenen (Soja) im Tierfutter genau kontrolliert werden.
  • Auch der Aufnahmeweg ist wichtig: In einer Studie an Affen (Leranth und Mitarbeiter, 2008) wurde der natürliche Aufnahmeweg umgangen, indem Bisphenol A mittels Minipumpe unter die Haut injiziert wurde. Angesichts der raschen Verstoffwechselung von Bisphenol A in der Darmwand und in der Leber von Primaten ("First Pass Effect") können die beschriebenen Wirkungen des Bisphenol A auf das Gehirn nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden.
  • Es muss ausgeschlossen sein, dass biologische Proben im Labor kontaminiert werden, z.B. durch Plastikmaterial.

Aufsehenerregende Versuchsergebnisse bedürfen hier in besonderem Maße einer unabhängigen wissenschaftlichen Überprüfung (siehe auch unter ZUSÄTZLICHE INFORMATIONEN auf dieser Seite).

Ein Beispiel hierfür ist das Studienergebnis der Gruppe um J. Boucher (Kanada) von 2015. J. Boucher und Mitarbeiter fanden heraus, dass BPA-Glucuronid (das hauptsächliche Abbauprodukt von Bisphenol A) zwar nicht östrogenaktiv ist, dafür aber die Adipogenese (Fettbildung) fördert. Hierfür inkubierten sie Vorläufer-Fettzellen des Menschen und der Maus in vitro mit einer 10 uM BPA-Glucuronid-Lösung. Das ist eine ungewöhnlich hohe Konzentration ( ca. 4 000 ug/l), sie liegt um > 2 Größenordnungen über der Konzentration in vivo. Ferner ist fraglich, ob BPA-Glucuronid während der 48-stündigen Inkubationszeit nicht hydrolysiert wurde. Haben die Autoren das bedacht? Es gilt, die Ergebnisse von Folgestudien mit verbessertem experimentellem Design abzuwarten.

Aufnahme und Verteilung von Bisphenol A im Körper

Im Magen-Darm-Trakt wird Bisphenol A gut resorbiert, es wird im Stoffwechsel in eine wasserlösliche Verbindung ("Bisphenol A-Glucuronid, Bisphenol A-Sulfat") umgewandelt und rasch über die Niere ausgeschieden. Die Halbwertzeit im Körper liegt bei weniger als 6 Stunden.

Wirkung auf Organe

Beim Menschen geht eine östrogenartige Wirkung nach derzeitigem Wissensstand nur vom freien Bisphenol A aus, also nicht von seinen Stoffwechselprodukten, dem Bisphenol A-Glucuronid oder -sulfat. 

Zusätzliche Informationen: 

Toxikologische Daten und OBELIX-Studie

In Versuchen an Fröschen, Fischen und Vögeln wurde gezeigt, dass Bisphenol A an den sogenannten Östrogenrezeptor (einem Bindungsort für weibliche Sexualhormone im Zellkern einer Zelle) bindet und zur Verweiblichung, zu Fehlbildungen der Fortpflanzungsorgane und anderen Effekten führt. Allerdings waren hierfür sehr hohe Konzentrationen erforderlich. Bisphenol A wirkt etwa 100 bis 10 000-fach schwächer als das natürliche Sexualhormon Östradiol (Umweltbundesamt 2010).

Einige Versuche an Ratten und Mäusen deuten auf mögliche Wirkungen auf Verhalten und Lernvermögen der Tiere sowie auf das Prostatawachstum und die Spermienkonzentration hin (Umweltbundesamt 2010). Die Relevanz dieser Ergebnisse für den Menschen wird von Fachleuten unterschiedlich beurteilt.

Im Rahmen des OBELIX-Programms (2009 - 2013) wurde untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen pränataler Exposition gegenüber 5 Umweltstoffen mit möglicher oder wahrscheinlicher endokriner Wirkung - darunter Bisphenol A - und späterer Fettleibigkeit besteht. Erste Ergebnisse, die insbesondere in vitro an Zelllinien gewonnen wurden, liegen nun vor, z.B. zum Einfluss von BPA auf die Differenzierung von Adipozyten und die DNA-Methylierung dieser Zellen. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen steht noch aus.

Zusätzliche Informationen: 

US-amerikanische FDA zu Bisphenol A in Kontakt mit Lebensmitteln / CLARITY-Studie

Im Herbst 2014 haben Toxikologen, Chemiker und Epidemiologen der FDA (Federal Drug Administration)  das Ergebnis ihrer Sichtung von etwa 300 Fachartikeln zu BPA veröffentlicht. Ihre Schlussfolgerung: es gibt keinen Anlass für eine Revision der FDA-Stellungnahme von 2008, die besagt, dass BPA-basierte Verpackungsmaterialien im Kontakt mit Lebensmitteln sicher sind.

Link: http://www.fda.gov/Food/FoodborneIllnessContaminants/ChemicalContaminants/ucm166145.htm

In diesem Zusammenhang hat die FDA die so genannte CLARITY-Studie in Auftrag gegeben. Im Rahmen dieser Studie sollen Möglichkeiten und Grenzen der "regulatorischen Toxikologie" einerseits und der "experimentellen Toxikologie" andererseits aufgezeigt werden. Diskrepanzen in der BPA-Bewertung verschiedener Institutionen und Forscher resultieren nicht zuletzt aus dem unterschiedlichen Herangehen in beiden Studienarten: die "regulatorische Toxikologie" legt Wert auf standardisierte Versuchsbedingungen, Versuchsprotokolle, toxikologische Endpunkte und Auswerteverfahren, während die "experimentelle Toxikologie"unter oftmals nicht standardisierten Versuchsbedingungen (Tierart, Dosisbereich, Endpunkte) neue, bisher nicht beobachtete Wirkungen eines Stoffes zu finden hofft. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung. Bei der Bewertung von Studienergebnissen sollten aber die Grenzen des jeweiligen Ansatzes bedacht werden.

Die CLARITY-Studie wird voraussichtlich bis 2018 laufen.

Zusätzliche Informationen: 

ROADMAP der EC DG SANTE–E6–534 zur Neuregelung von BPA in Lebensmittelkontaktmaterialien

Im November 2015 hat die Europäische Kommission eine "Roadmap zur Neuregelung von BPA in Lebensmittelkontaktmaterialien" veröffentlicht. Derzeit ist auf EU-Ebene lediglich das In-Verkehrbringen von Babyflaschen auf Polycarbonatbasis nicht gestattet. BPA-haltige Lebensmittelkontaktmaterialien wie z.B. Behälter aus Polycarbonat oder Epoxidhanz-Beschichtungen sind nicht betroffen. Allerdings haben einige EU-Länder (z.B. Frankreich und Schweden) hierzu nationale Regelungen getroffen. Die (nachteiligen) Auswirkungen auf das Vertrauen der Verbraucher in die Sicherheit von Polycarbonat-Kunststoffen und Epoxidhanz-Beschichtungen im Lebensmittelsektor liegen auf der Hand. Ferner erschweren spezifische nationale Regelungen den freien Warenverkehr innerhalb der EU und mit Drittstaaten, ohne ein erkennbares Plus für die Gesundheit. Im Gegenteil, die übereilte Anwendung von BPA-freien Ersatzstoffen, die weniger gut als BPA untersucht worden sind, könnte neue Risiken zur Folge haben. Ein weiterer zu bedenkender Punkt ist die Haltbarkeit von Lebensmitteln in Konserven, die mit Ersatzstoffen beschichtet sind, verglichen mit Epoxidharz-beschichteten Konserven.

Die "Roadmap" beinhaltet Optionen zur Anpassung des spezifischen Migrationswertes für BPA in Kunststoffen mit Lebensmittelkontakt an den neuen t-TDI-Wert der EFSA. Ferner geht es um die Ausweitung des Geltungsbereichs auch auf andere Lebensmittelkontaktmaterialien wie z.B. Beschichtungen, Lacke und Papier. Hier liegen derzeit (Januar 2016) keine einheitlichen Regelungen vor.

Stand: 14. August 2019 - 11:15 Uhr

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