Künstliches Licht

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Künstliches Licht

Wer kennt das nicht: Jugendliche und Erwachsene laufen durch die Straßen, den Blick auf das Smartphone gerichtet. Auch in Bussen, Bahnen bietet sich das gleiche Bild. Die Messenger-Nachricht oder ein angesagtes Video sind wichtiger als die vorbeiziehende Umgebung.

Die Auswirkungen unterschiedlicher Lichtquellen auf Gesundheit und Wohlbefinden

Orthopäden warnen vor Smartphone-bedingten Haltungsschäden, Augenärzte thematisieren die zunehmende Kurzsichtigkeit und Umweltmediziner beschäftigen sich neuerdings mit der Frage, welche Auswirkungen das von Smartphones, Tablets, LED-Monitoren und LED-Fernsehern abgestrahlte Licht auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden hat.

Licht ist nämlich nicht gleich Licht: Tageslicht, Glühlampen und Halogenglühlampen sind die einzigen Lichtquellen mit kontinuierlichem (vollem) Lichtspektrum, während alle anderen Lichtquellen Licht mit mehr oder weniger ausgeprägten schmal- bis breitbandigen Peaks im blauen und grünen Spektralbereich aussenden.

Lampenspektren (v.l.n.r.: Tageslicht, Halogenlampe, LED kaltweiss). X-Achse: Wellenlänge (nm), Y-Achse: normierte Strahlungsleistung. Mit freundlicher Genehmigung der Fördergemeinschaft Gutes Licht (Licht.de).

Wir nehmen den Gesamt-Farbeindruck einer Glühlampe als “warm“ und den z. B. einer Tageslicht-LED als “kalt“ wahr. Genauer wird dieser subjektive Eindruck durch die sogenannte Farbtemperatur charakterisiert. Je höher der Blauanteil im Farbspektrum ist, desto höher ist die Farbtemperatur.

Was hat dies mit Gesundheit und Wohlbefinden zu tun? Es geht um einen möglichen Einfluss dieser Lichtquellen auf körpereigene Rhythmen.

Der menschliche Körper ist – wie die allermeisten anderen Lebewesen auch – auf einen 24h-Rhythmus eingestellt, der auch als “zirkadianer Rhythmus“ oder “innere Uhr“ bezeichnet wird. Dieser Rhythmus regelt den Schlaf-Wach-Zyklus, die Hormonausschüttung, den Zellstoffwechsel, Zellwachstum und Energiebilanz beim Menschen.

Licht kann den inneren Rhythmus an den aktuellen Tagesverlauf anpassen.

Zusammenhang zwischen Lichtspektrum und Melatoninproduktion

Wie viel Licht auf das Auge fällt, diese Information wird in einem komplizierten Signalweg an die Epiphyse (Zirbeldrüse) übertragen. Die Zirbeldrüse steuert wiederum die Produktion des „Schlaf-Wach-Hormons“, des Melatonins.

Melatonin hat vielfältige Aufgaben im Körper. Neben seiner Funktion als Schlaf-Wach-Hormon dient es u. a. als Antioxidans und als Radikalfänger.

Bei Dunkelheit steigt die Melantoninproduktion in der Zirbeldrüse an und erhöht den Schlafdruck. Das Maximum der Melatoninproduktion wird gegen 3.00 Uhr morgens erreicht, mit zunehmendem Tageslicht fällt die Melatoninproduktion wieder ab, wir werden wach. Lebensalter und Chronotyp (“Nachtigall oder Lerche“) können den individuellen Verlauf modifizieren.

Welche Rolle das Melatonin für unseren Schlaf-Wach-Zustand besitzt, wird deutlich, wenn Licht zu ungewöhnlichen Zeiten auf uns einwirkt, z. B. bei Schichtarbeit oder auf Langstreckenflügen (Jetlag). Blaues Licht ist in bezug auf die Hemmung der Melatoninproduktion („Suppression“) besonders wirksam.

Tagsüber dient die Melatonin-Suppression zur Steigerung der Aufmerksamkeit und ist gleichzeitig zur Verbesserung des nächtlichen Schlafverhaltens wichtig und sinnvoll, während eine nächtliche Melatonin Suppression – je nach Chronotyp – im Allgemeinen nachteilig ist.

Von allen Spektralfarben hemmt blaues Licht die Melatoninproduktion am stärksten.

Eine länger dauernde abendliche oder nächtliche Lichtexposition mit einem hohen Blaulichtanteil kann daher zu einer verlängerten Melatonin-Suppression bis in die Nacht hinein führen.

Die Melatonin-Suppression zu Tageszeiten, die nicht dem jeweiligen Chronotyp entsprechen, spielt wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der Entwicklung bestimmter chronischer Erkrankungen. Dazu gehören z. B. Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen. Manche Wissenschaftler sehen auch einen Zusammenhang mit Krebserkrankungen der Brust und der Prostata.

Die beim Robert Koch-Institut angesiedelte Kommission Umweltmedizin empfiehlt in ihrer aktuellen Stellungnahme zu „Modernen Lichtquellen“:

  • Eine dem natürlichen Tagesgang entsprechende Lichtführung mit allmählich ansteigender morgendlicher Lichtexposition, die tagsüber helles tageslichtweißes Licht beinhaltet und zum Abend hin zu gedämpftem eher rötlichem Licht wechselt, wird von den meisten Personen als angenehm empfunden.
  • Tagsüber ist chronobiologisch wirksames Licht, das dem Spektrum des Tageslichts entspricht, zur Stabilisierung der zirkadianen Rhythmik sinnvoll. Es kann darüber hinaus, insbesondere bei älteren Personen, auch den abendlichen Schlafdruck und das nächtliche Schlafverhalten fördern.
    In den Abend- und Nachtstunden ist die durch „blaues Licht“ bedingte Melatonin- Suppression unerwünscht. Hier sollten Lichtquellen mit niedrigem Blaulichtanteil, also mit niedriger Farbtemperatur, verwendet werden.
  • Ob eine längere abendliche Arbeit an LED-basierten Computermonitoren, Tablets und Smartphones Einfluss auf die Melatoninproduktion hat, kann aufgrund der noch unzureichenden Datenlage nicht abschließend beurteilt werden. Allerdings liegen ernstzunehmende Hinweise auf eine Melatonin-Suppression in der Fachliteratur vor.
  • In einigen Smartphones, Tablets und PC-Monitoren kann die Farbtemperatur des Bildschirms über die Systemkonfiguration eingestellt und damit der Blaulichtanteil des Lichts verringert werden (“night shift”).

Ob auch LED-Fernseher einen solchen Effekt zeigen, erscheint derzeit fraglich, da der Abstand zwischen Fernseher und Betrachter deutlich größer als bei Smartphones und Tablets ist.

Fazit:

  • Licht hat Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden.
  • Morgens ist helles neutralweißes oder kaltweisses Licht mit hohem Blauanteil zur Steigerung unserer Wachsamkeit und Aufmerksamkeit sinnvoll.
  • Abends sollte vornehmlich warmweisses Licht mit hohem Rotanteil eingesetzt werden. 
  • Langes abendliches Arbeiten an LED-basierten Geräten (Tablets, PC´s, Smartphones) kann den nächtlichen Schlaf beeinträchtigen.

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Autor/innen: Dr. M. Otto    Zuletzt aktualisiert: 10.01.2024

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