Nitrat und Nitrit

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Nitrat und Nitrit

Nitrat, Nitrit und Nitrosamine: Vorkommen und gesundheitliche Relevanz

Stickstoff ist ein unentbehrlicher Grundbaustein der Natur. Der menschliche Körper enthält ca. 2 kg Stickstoff als notwendigen Bestandteil von Aminosäuren, Proteinen und der DNS sowie deren Abbauprodukten (Harnstoff, Harnsäure).

Stickstoff (N2) macht etwa 80% der Luft aus. In dieser Form ist er für fast alle Lebewesen nicht nutzbar. Er ist inert.

Einige Bakterien können elementaren Stickstoff in reaktive Verbindungen überführen, die von Pflanzen genutzt werden können. Solche Bakterien wachsen in Knöllchen an Schmetterlingsblütlern, darauf beruht die Gründüngung.

Die Zersetzung abgestorbener Organismen setzt ebenfalls pflanzenverfügbaren Stickstoff frei. Die Chemiker haben vor etwa 100 Jahren gelernt, N2 in reaktiven Stickstoff umzuwandeln (Haber-Bosch-Verfahren).

Die Freisetzung reaktiven Stickstoffs durch menschliche Aktivitäten hat sich in den letzten 150 Jahren verzehnfacht und beträgt jährlich etwa 150 Millionen Tonnen und stammt zur Hälfte aus stickstoffhaltigen Düngemitteln, zu einem Viertel aus dem Anbau von Leguminosen.

Bei Verbrennungsvorgängen, insbesondere in Kraftfahrzeugen, entstehen toxische Stickoxide (NOx), die die Atemwege schädigen können. Der in der Europäischen Union (EU) gesetzlich vorgeschriebene Grenzwert von 40 µg NO2 pro m3 darf im Jahresmittel nicht überschritten werden.

Reaktiv sind auch  Nitrat, das einwertige Anion der Salpetersäure (HNO3), und Nitrit, das Anion der salpetrigen Säure (HNO2), das aus Nitrat vorwiegend durch Aktivität von Bakterien gebildet wird, in unsachgemäß aufbewahrten Nahrungsmitteln und durch Keime im Magen-Darm-Trakt. Dort erfolgt auch die weitere Umwandlung zu Nitrosaminen (Koppelung an Amine).

Zur Aufnahme von Nitrat kommt es hauptsächlich durch Wasser und Nahrungsmittel. Für Trinkwasser gilt ein Grenzwert von 50 mg/l Wasser. Rund 15% der Grundwasser(!)proben in Deutschland ergeben einen höheren Wert.

In der Europäischen Union gelten gesetzlich festgelegte Nitrat-Höchstwerte für Nahrungsmittel, so z.B. 3500 mg/kg für Spinat, bis zu 5000 mg/kg für frischen Salat und 7000 mg/kg für Rucola. Der Nitritgehalt von pflanzlichen Lebensmitteln ist gering, kann aber bei primär hohen Nitratgehalten durch unsachgemäße Lagerung und schlechte Einhaltung von Hygienemaßnahmen ansteigen. Nitrit ist auch Bestandteil von Pökelsalz.

Toxizität von Nitrat und Nitrit

Nitrate und Nitrite werden bei akuter Einnahme erst im Grammbereich bedenklich; Nitrite sind giftiger als Nitrate. Toxisch ist die Bildung von Methämoglobin. Die duldbare tägliche Aufnahme (ADI, acceptable daily intake), die lebenslang aufgenommen werden kann, ohne dass dabei ein Gesundheitsrisiko entsteht, ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit 3,65 mg pro kg Körpergewicht festgelegt. Das gilt nicht für Säuglinge unter drei Monaten.

Neugeborene und Säuglinge sind empfindlicher als Erwachsene

Neugeborene und Säuglinge in den ersten Lebensmonaten sind empfindlicher als Erwachsene, denn das bis etwa zum Ende des dritten Lebensmonats vorhandene fetale Hämoglobin kann leicht und dauerhaft in das für den Sauerstofftransport ungeeignete Methämoglobin umgewandelt werden.

Zudem weist der Magen einen für die Umwandlung von Nitrat in Nitrit günstigen geringeren Säuregehalt auf, und manche Enzymsysteme sind noch nicht ausgereift. So ist das Krankheitsbild der blauen Babies zu erklären gewesen. Dieses ist seit vielen Jahrzehnten in Deutschland nicht mehr beobachtet worden, ist auch früher nur bei Eigenbrunnen-Versorgung (nicht bei Versorgung mit aus dem öffentlichen Trinkwassernetz) und bei Nitratgehalten deutlich über 100 mg beschrieben worden. In manchen anderen Ländern gibt es immer noch solche „Blue Babies“. Unklar ist, warum nur einige Säuglinge erkranken und welche Cofaktoren bedacht werden müssen.

Bei Nitratgehalten von weniger als 50 mg/l (wenn also die Trinkwasserrichtlinien und die Mineralwasserverordnung (MVO) eingehalten werden) ist nicht mit einer Gefährdung von Neugeborenen und Säuglingen zu rechnen. In der MVO ist vorsorglich – toxikologisch nicht begründet – festgelegt, dass die Angabe „Für die Bereitung von Säuglingsnahrung geeignet“ nur dann gemacht werden kann, wenn der Nitratgehalt nicht höher als 10 mg/l ist.

Nitrosamine sind ebenfalls toxisch; N-Nitrosodimethylamin (NDMA) kann bei einer Dosis von 20-25 mg pro Kilogramm Körpergewicht tödlich sein. NDMA ist bei vielen Tierarten kanzerogen.  Es ist nicht auszuschließen, dass dies auch für den Menschen gilt. Für die mit der Nahrung aufgenommenen Mengen wird das gesundheitliche Risiko als niedrig eingeschätzt. Eine tolerierbare Tagesdosis kann – wie bei allen kanzerogenen Substanzen – nicht abgeleitet werden. Deshalb gilt grundsätzlich das Minimierungsgebot.

Fazit: Belastung mit Nitrat und Nitrit von Säuglingen so niedrig wie möglich halten!

Der Eintrag von reaktiven Stickstoffverbindungen in die Umwelt ist unerwünscht wegen seiner vielfältigen globalen Wirkungen – auf Ökosysteme, Flora und Fauna, Klima und Grundwasser.

Die Belastung mit Nitrat und Nitrit von Säuglingen soll so niedrig wie möglich gehalten werden. Bei Einhaltung der Grenzwerte der Trinkwasserverordnung (<50 mg Nitrat pro Liter) kann das Trinkwasser ohne Gesundheitsgefährdung zur Bereitung von Säuglingsnahrung verwendet werden.

Die Belastung mit Nitrosaminen soll wegen der nachgewiesenen Tier-Kanzerogenität so niedrig wie möglich gehalten werden.

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  • Bundesamt für Risikobewertung (BfR). Nitrat in Rucola, Spinat und Salat. Aktualisierte Stellungnahme Nr. 032/2009 des BfR vom 6. Februar 2009. www.bfr.bund.de
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  • Spiegel Online 01.05.2015. Nitratwerte: In Grund und Boden. (überprüft am 24.11.2015)

Autor/innen: Prof. K. E. von Mühlendahl    Zuletzt aktualisiert: 13.01.2024

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