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Welche Rolle spielen Schulen und KiTas in der COVID-19 Pandemie?

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Nach dem Ende der Weihnachtsferien haben die Bundes- und alle Landeseregierungen ab dem 10. Januar einen weiteren Lockdown beschlossen, der bis zum 14. Februar 2021 fortgesetzt werden soll. Dieser wird nach den unterschiedlichen Entscheidungen der Bundesländer dazu führen, dass Klein- und Grundschulkinder wie auch Kinder und Jugendliche an weiterbildenden Schulen keine regelmäßige KiTa-Betreuung bzw. Beschulung im Präsenzmodus erhalten, sondern verschiedene Varianten von Not-Wechselbetreuung, Wechselunterricht bis zum kompletten Homeschooling erleben werden.

Sind die neuen Einschränkungen wirklich notwendig und wissenschaftlich begründbar?

Politisch werden diese ausgeprägten Einschränkungen damit begründet, dass angesichts der COVID-19 Pandemie nicht notwendige, menschliche Kontakte weiterhin drastisch reduziert werden müßten. Insbesondere für Kinder bis zum 12. Lebensjahr und ihre Eltern stellen diese Reduktionen aber erhebliche Probleme im Alltags- und Sozialleben dar. 

Am 18.1.2021 haben zwei wissenschaftliche Fachgesellschaften – die Dt. Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und die Dt. Gesellschaft für Krankenhaushygiene eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht, die die bisher bekannten europäischen Daten zur Bedeutung von KiTas und Schulen in der der COVID-19 Pandemie zusammenfasst und sich dabei auf die Europäische Gesundheitsbehörde (ECDC) in Stockholm bezieht.

Aus diesen resultieren fünf Kernbotschaften:

  1. Kinder erkranken selbst nur sehr selten schwer an COVID-19.
  2. Kinder jeden Alters sind grundsätzlich empfänglich für SARS-CoV-2 und können das Virus übertragen. Jüngere Kinder scheinen weniger anfällig für Infektionen zu sein; wenn sie infiziert sind, führt dies seltener zu einer Weitergabe der Infektion.
  3. Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen nehmen am Infektionsgeschehen teil, sind aber nach aktuellem Wissensstand selbst kein Treiber der Pandemie.
  4. Schulen und KiTas sind für Kinder und Jugendliche systemrelevant, denn sie treffen im Kern ihre sozialen und intellektuellen Grundbedürfnisse und bestimmen entscheidend ihre psychosoziale Entwicklung; Schulen und KiTas spielen eine wesentliche Rolle bei der Aufdeckung medizinischer oder sozialer Probleme und tragen zur Prävention von Kindeswohlgefährdung bei. Jedwede Einschränkung der Grundrechte von Kindern und Jugendlichen, die ihnen fremdnützig auferlegt werden, bedarf einer strengen ethischen Abwägung und v.a. auch einer wissenschaftlich konkret belegbaren Rechtfertigung.
  5. Schulschließungen können nur das letzte Mittel sein. Eine Reihe konkret benennbarer Interventionen sind verfügbar, die davor ergriffen und konsequent umgesetzt werden können, z.B. Etablierung von AHA+L Regeln, Masken etc. in den Schulen und auf den Schulwegen, strukturiertes Ausbruchsmanagement, Etablierung hygienebeauftragter Lehrer etc. (s.u.).

Die beiden Fachgesellschaften stellen weiter fest:

“Tatsächlich ist die momentane Debatte in der Öffentlichkeit um die Rolle der Schulen und weiterer Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder und Jugendliche durch erhebliche Defizite in der Analyse vorhandener Daten gekennzeichnet. Ohne dass dies anhand wissenschaftlicher Daten konkret belegt werden kann, wird weiterhin vorgetragen, Schulen seien Hotspots der Pandemie mit einer sehr hohen („gefährlichen“) Dunkelziffer nicht erkannter SARS-CoV-2-Infektionen bei asymptomatischen Kindern und damit ein hohes Gefahrenpotential im Rahmen der Pandemieentwicklung in Deutschland.”

Die DGPI und die DGKH empfehlen deshalb den politischen Entscheidungsträgern mit Nachdruck, die Kernbot­schaften der Europäischen Gesundheitsbehörde (ECDC) als Richtschnur des Handelns auch in Deutschland heranzuziehen. Denn die vorhandenen Analysen bestätigen die europäischen Beobachtungen auch für unser Land! „Ob durch das Auftreten mutierter Virus Varianten in Großbritannien, Brasilien, Nigeria und Südafrika in Zukunft auch in Deutschland die Gefahr einer höheren Ansteckungsrate besteht und welche Konsequenzen sich daraus für den Kita- und Schulbetrieb ergeben könnten, ist zum jetzigen Zeitpunkt (18.01.2021) noch nicht abschließend beurteilbar. Anfänglich geäußerte Befürchtungen, dass diese VOC in Großbritannien überproportional häufig bei Kindern und Jugendlichen nachgewiesen werden, haben sich in nachfolgenden Aufbereitungen epidemiologischer Daten nicht bestätigt“.

Deshalb sollten auch unter hohen COVID-19 Infektionszahlen Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder und Jugendliche geöffnet bleiben können, wenn die Hygieneregeln (AHA+L) bei zusätzlichen betrieblich-organisatorischen Maßnahmen einge­halten werden. Die Implementierung der Hygienemaßnahmen hat sich trotz häufig nicht vollständiger Umsetzung als ein effektives Instrument des Infektionsschutzes an Kitas und Schulen bewährt. Die Maßnahmen müssen den Kindern ein angemessenes Lern- und soziales Umfeld bieten. Schulen sind für Kinder nicht nur zur Erfüllung des Bildungsauftrags, sondern insbesondere für ihre soziale Entwicklung und nicht zuletzt auch zu ihrem Schutz durch die entstehende Sozialkontrolle systemrelevant.

Die beiden Gesellschaften formulieren ergänzende und notwendige Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Hygienekonzepte und zur Beseitigung möglicher Schwachstellen. Diese sind hier zusammenfassend zitiert:  

  • Konsequente Einhaltung der Maskenpflicht aller Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts jenseits des Grundschulalters bei gleichzeitiger Maskenpflicht für Lehr- und Betreuungspersonal auch an Grundschulen. Selbstverständlich benötigen Kinder und Jugendliche auch maskenfreie Zeiten, z.B. in der Pause außerhalb des Schulgebäudes (unter Gewährleistung der Abstandsregeln)
  • MNB sind eine ausreichende Schutzmaßnahme, vor allem, wenn sie von allen getragen werden und die weiteren Schutzmaßnahmen der AHA+L-Regel eingehalten werden.
  • Eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken bei Lehrern oder älteren Schülern führt nicht zu einer Verbesserung des Infektionsschutzes und kann nicht als Kriterium für oder gegen eine Quarantäneanordnung verwendet werden.
    Händewaschen mit Wasser und Seifenlösung und Bereitstellung von Einmal-Papierhandtüchern. Die Ausstattung der Schulen mit ausreichend Handwaschplätzen ist auch unabhängig von SARS-CoV-2 zwingend erforderlich. Lehrerinnen und Lehrer und weiteres Betreuungspersonal müssen freien Zugang zu Händedesinfektions-Mitteln haben.
  • Keine ungezielte Flächendesinfektion zusätzlich zur täglichen Reinigung. Eine gezielte Desinfektion, z.B. nach Verunreinigung einer Oberfläche mit Blut, Erbrochenem etc., ist bereits in den Hygieneplänen der Einrichtungen vorgesehen.
  • Schaffung konstanter Personengruppen mit begrenzter Gruppenstärke einschl. Hortbetreuung und Mensabetrieb. Keine wechselnden Gruppenarbeiten innerhalb der Klassenverbände. Einhaltung separater Pausengruppen.
  • Gesplitteter Präsenzunterricht im Wechsel zu Online-Angeboten für die Schulklassen ab 14 Jahre, mindestens aber ab 16 Jahre. Wegfall kritischer Unterrichtseinheiten wie Sport (in geschlossenen oder nicht ausreichend gelüfteten Räumen) oder Gesangs-Unterricht (Chor).
  • Keine Nutzung von Schulräumen, die nicht ausreichend belüftet werden können. Optimierung der Lüftungskonzepte. Der erforderliche Luftaustausch wird durch aktives Lüften über Fenster a) über die Dauer der Unterrichtspausen (Stoß- oder Querlüften) und b) im Unterricht zwischendurch nach 20 Minuten für 3-5 Minuten (Stoßlüften) im Allgemeinen sehr gut erreicht. Im Winter darf die Lüftungsdauer in den Pausen bei Querlüften (gilt nicht für Stoßlüften) ohne Einbußen des Lüftungserfolgs auf ca. 5-10 Minuten Dauer verringert werden.
  • Ausweitung des Raumangebotes durch Nutzung nahgelegener ungenutzter Räumlichkeiten zu Unterrichtszwecken. Hier sind kreative Nutzungskonzepte einer intelligenten Nutzung zu entwickeln, durch die personalintensive Mehrfachbelastungen der Lehrerschaft vermieden werden können.
  • Einbeziehung der Schulwege, des öffentlichen Nahverkehrs und weiterer Verkehrsangebote in ein integriertes Hygienekonzept, durch das auch die Wege von und zur Schule sicherer werden. Hierzu gehört auch der gestaffelte Unterrichtsbeginn, um größere Personenansammlungen zu gewissen Uhrzeiten in den öffentlichen Verkehrsmitteln und in den Schulfluren zu vermeiden.
  • Intensive Aufklärung der Lehrerschaft und des weiteren Betreuungspersonals über die Risiken von Ansteckungen im privaten Umfeld, dem größten Treiber in der momentanen 2. Welle, aber auch in Pausenzeiten (z.B. Lehrerzimmer). Nutzung des von der DGKH herausgegeben „Corona-Knigges“, der die Schutz­konzepte im privaten Umfeld verständlich und alltagstauglich formuliert.
  • Aufbau eines strukturierten Ausbruchsmanagements unter Einbeziehung des örtlichen Gesundheitsamtes, der Schulleitung, des schulischen Hygienebeauftragten (siehe unten), weite­rer Personen aus der Elternschaft und ggfs. externer Experten aus Hygiene, virologischer Diag­nos­tik und Betriebsmedizin.
  • Einberufung dieses Ausbruchs-Teams im Falle von Infektionshäufungen mit dem Ziel, Übertragungswege zu analysieren, Schwachstellen zu erkennen, Vorschläge zur Abhilfe zu entwickeln, das Ausmaß von Quarantäneanordnungen festzulegen und begleitende Testkonzepte zu gestalten bzw. zu veranlassen.
  • Bestellung einer Hygienebeauftragten Person im Lehrerkollegium bzw. im Betreuungs­team mit Qualifizierung durch eine geeignete Fortbildung.

In der Stellungnahme werden zudem die aktualisierten Teststrategien ausführlich dargestellt. Abschließend wird auf die bedeutsamen Kollateralschäden von anhaltenden Schul- und Kita-Schließungen eingegangen.

Autor/innen: T. Lob-Corzilius    Zuletzt aktualisiert: 25.01.2024

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