Umweltstoffe und -einflüsse: Welche sind heute von Bedeutung?

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Umweltstoffe und -einflüsse: Welche sind heute von Bedeutung?

Was ist bei Asbest in der Turnhalle zu tun? Müssen Quecksilber-Amalgam-Füllungen entfernt werden? Ist die Nachbarschaft eines Atomkraftwerkes für eine Leukämie verantwortlich? Dies sind einige von vielen Fragen zu Umweltstoffen und Umwelteinflüssen, die Bürger und Fachleute in den vergangenen Jahrzehnten beschäftigt haben.

Viele von ihnen stehen heute nicht mehr im Vordergrund, weil sich das Interesse anderen Bereichen zugewandt hat, auch weil Gesetze, Verordnungen und gesellschaftliches Bemühen und Verantwortungsbewusstsein von Konsumenten Gefährdungen und Belastungen beseitigt haben.

Vor drei und vier Dekaden ging es um in Tabelle 1 benannte physikalische und chemische Noxen. Darunter sind Metalle und chemische Verbindungen, die die Welt noch weiterhin, über Jahrhunderte, belasten werden, so z. B. die nur sehr langsam abbaubaren POPs (persistent organic pollutants).

Tabelle 1: Themen, physikalische Bedingungen und Substanzen, die 1990 die Umweltdebatten dominierten, die z.T. heute keine wesentliche Rolle mehr spielen, weil z.B. die Emissionen reduziert worden sind, oder auch, weil Medien und öffentliches Bewusstsein sich anderen Themen zugewandt haben.

Themen auch heute bedeutend Bewertung / Kommentar
Amalgam-Zahnfüllungen   Quecksilberbelastung durch Amalgamplomben war messbar erhöht, war wohl nur in Ausnahmesituationen gesundheitlich bedenklich. Heute weitgehender Ersatz durch andere Füllmaterialien.
Atommüllentsorgung  + Auch heute noch ungelöst.
Atomkraftwerke (AKW), Wiederaufbereitungsanlagen (WAA)   Strahlenbelastung im Umkreis von AKW unter gesundheitlichen Aspekten unerheblich, in der Umgebung von WAA bedeutsam. In Deutschland gibt es keine WAA.
Emissionen aus Hochöfen und Müllverbrennungsanlagen (MVA) (+) Waren erheblich: Dioxine, Furane (PCDD/F), weitere polychlorierte Biphenyle (PCB), Quecksilber und andere Noxen. Heute effektive Filterung, aber problematische Deponierung der hochtoxischen Filterstäube. 
Hochspannungsleitungen   Unter gesundheitlichen Aspekten früher und heute von geringem Belang.
Muttermilchbelastung mit Rückständen und Schadstoffen   Kontamination mit PCDD/F, PCB und anderen fettlöslichen organochemischen Verbindungen war nicht unerheblich, ist seitdem um Faktoren von 3 bis 10 deutlich zurückgegangen.
Nahrungsmittelbelastung mit Schadstoffen und Rückständen + Wohl nicht ein Hauptproblem, was die gesundheitliche Gefährdung angeht, aber unerwünscht und häufig in Diskussion.
Kohlekraftwerke, insbesondere solche mit Braunkohlefeuerung   Schwefelemissionen damals Ursache für sauren Regen, resultierend daraus Waldsterben, Übersäuerung von Seen, inzwischen durch Filteranlagen reduziert. Jedoch relevant hinsichtlich klimaschädlicher Kohlendioxid-Emissionen.
Schimmelpilzbelastung in Gebäuden + Auch heute häufig und nicht unproblematisch, Geruchsbelästigung und für manche Allergiker von Bedeutung.
Verkehrsbelastung + Auch heute gravierende Problematik.
Asbest (+) In den meisten öffentlichen Gebäuden weitgehend auf wenig schädliche Konzentrationen von toxischen (langen) Asbestfasern reduziert. „Jede einzelne Faser ist potenziell kanzerogen“, das sehr geringe Risiko ist jedoch kalkulierbar und muss als akzeptabel angesehen werden. Asbestose als Berufskrankheit immer noch sehr bedeutsam.
Blei (+) Kein notwendiges Spurenelement, nur toxisch; früher als bedeutungslos angesehene Belastungen eindeutig neurotoxisch. Durch staatliche Regulierung, insbesondere durch Verbot der Verbleiung von Benzin, Rückgang der Belastung des Menschen um das Fünf- bis Zehnfache.
Dioxine/Furane (PCDD/F) (+) Durch Regulierung erhebliche Reduktion der Immissionen. 
Fluor   Die zur Kariesprophylaxe eingesetzten Mengen sind gesundheitlich unbedenklich; Sicherheitsabstand zu schädlichen Belastungen jedoch nicht sehr groß. 
Hexachlorbenzol (HCB)   Industriechemikalie, persistenter Chlorkohlenwasserstoff (CKW), nicht mehr in Verwendung.
Pentachlorphenol (PCP) (+) Holzschutzmittel, nicht mehr in Verwendung. Gelegentlich in Altbeständen (Hölzern) gesundheitlich von Bedeutung.
Polychlorierte Biphenyle (PCB) + Vielfach verwendete Chemikalien, schwer abbaubar (persistent), neurotoxisch.
Quecksilber (Hg) + Kein notwendiges Spurenelement, nur toxisch. Belastung hauptsächlich durch Fischkonsum und durch Quecksilber-Amalgam-Zahnfüllungen. Natürliche Emissionen, erhebliche Immissionen bei Kohleverbrennung.
Tabakrauch + Aktiv- und Passivrauchen trotz erheblichen Rückganges des Konsums (Wirkung von Aufklärungskampagnen) bei Jugendlichen immer noch problematisch.

 

Heute sind etliche neue physikalische Belastungen und Stoffe – insbesondere sehr weit verbreitete chemische Verbindungen – hinzugekommen (Tabelle 2).

Tabelle 2: In den letzten Dekaden hinzugekommene toxische und weit verbreitete, z.T. persistente,
schwer abbaubare chemische Verbindungen und diskutierte Themen.

Substanzen Kommentar
Bisphenol A Wichtige, sehr weit verbreitete, vielfach eingesetzte Industriechemikalie, für die eine Wirkung als endokriner Disruptor diskutiert wird.
Duftstoffe Nitromoschverbindungen (mehrfach mit NO2-Gruppen besetzte Aromaten), lipophil, schwer abbaubar, reichern sich in Fettgewebe an, persistent, weltweit präsent. Neurotoxische, mutagene und reproduktionstoxische Wirkungen werden diskutiert.
Elektromagnetische Felder, Mobilfunk Sehr umfangreiche und zahlreiche Untersuchungen, die sich oft mit Kanzerogenität beschäftigen. Ergebnisse widersprüchlich, dabei einige grenzwertig bedenkliche Befunde mit kleinem Effekt, viele epidemiologische Untersuchungen ohne Hinweis auf Kanzerogenität. Keine überzeugende Hinweise auf andere krankmachende Mechanismen oder Effekte.
Feinstaub In den in der Umwelt, insbesondere in Städten vorkommenden Konzentrationen sicher toxisch. Kleine Partikel wahrscheinlich mit noch größerer Toxizität als die üblicherweise gemessenen PM10-Partikel. Autoverkehr ist ein wichtiger Emittent.
Flammschutzmittel Polybromierte Diphenylether (PBDE), lipophil, reichern sich in den Nahrungsketten an; bei Versuchstieren neurotoxisch, kanzerogen, endokrine Disruptoren; in großen Mengen (über 100.000 t pro Jahr) produziert und freigesetzt.
Glyphosat Derzeit viel diskutiertes Herbizid; bei hohen Dosen tierkanzerogen, endokriner Disruptor, weitere Wirkungen auf die menschliche Gesundheit werden kontrovers diskutiert. Der weltweit in sehr großen Mengen in der Landwirtschaft erfolgende Einsatz ist aus ökologischen Gründen kritisch zu betrachten.
Ozon, bodennahes Entsteht bei Verbrennungsprozessen, insbesondere in Kfz-Verbrennungsmotoren. Hohe Konzentrationen insbesondere in Städten im Sommer schädigen Bronchien und Lungen.
Stickoxide Entstehen bei Verbrennung von Benzin und Diesel in Kfz-Motoren. Toxisch für Bronchien und Lungen.
Weichmacher Phthalate, verschiedene Ester der Phthalsäure; bei der Produktion von Kunststoffen verwendet, in vielen anderen chemischen Produkten und Verbrauchsartikeln enthalten. Dosisabhängig toxisch für Leber, Niere, Testes, schwache endokrine Disruptoren. Produktion und Freisetzung jährlich mehrere Millionen Tonnen.

Ungleich wichtiger aber ist es, sich mit den Schäden zu beschäftigen, die global die Welt unserer Enkel und weiterer Generationen bedrohen und nachhaltig, mitunter irreversibel verändern (Tabelle 3). Die anthropozentrische Sichtweise, die sich schwerpunktmäßig mit unserer aktuellen Gesundheit beschäftigt, greift zu kurz.

Tabelle 3: Globale, unsere Welt langfristig bedrohende “Umweltrisiken”

Artensterben
Atommüll
Bevölkerungswachstum
Deforestation
Grundwasser
Klima
Migration
Nitrat
Persistent Organic Pollutants (POPs)
Phosphat
Plastikmüll
Ressourcenverbrauch

Letztlich ist auch zu beachten, dass Umwelt mehr als die “klassischen” anthropogenen Noxen, insbesondere chemische Verbindungen und vom Menschen geschaffene physikalische Bedingungen, bedeutet.

Kinder stehen im Fokus der Betrachtungen

Kinder und Jugendliche stehen häufig im Fokus der Betrachtungen und Besorgnisse, wenn es um umweltmedizinische Fragen geht.

Dafür gibt es eine Reihe von guten Gründen. U. a. sind Entwicklungsprozesse bei Embryonen, Feten und Kindern in aller Regel störanfälliger als statische, ausdifferenzierte Systeme. Viele physiologische und metabolische Verhältnisse variieren altersabhängig.

Insbesondere in der Neugeborenenzeit kann die Metabolisierung und Ausscheidung von Stoffwechselprodukten, Medikamenten und Schadstoffen verlangsamt (mitunter auch beschleunigt) sein.

Detaillierte Infos zu diesem Thema finden Sie in unserem Beitrag “Kindergesundheit und Umwelt: Reagieren Kinder empfindlicher als Erwachsene?”

Tabelle 4: “Soziale” Umweltbedingungen, die Kinder und Jugendliche heute krank machen 

Armut
Fehl-, Überernährung und Bewegungsmangel
Gewalterfahrung (familiär und in Schulen)
Konsum von Drogen, Alkohol, Tabak
Lärm, Wohnen in der Nachbarschaft von stark befahrenen Straßen
Übermäßiger Medienkonsum
Migrationshintergrund

Fazit

Zwar wurden in den letzten fünfzig Jahren Lehren gezogen und manche früheren Probleme weitgehend behoben:

  • die nicht unerhebliche Belastung der Muttermilch,
  • Dioxin-Emissionen aus Müllverbrennungsanlagen und Eisenhütten,
  • saurer Regen,
  • verbleites Benzin,
  • die Produktion von Hexachlorbenzol,
  • die massenhafte Verwendung von Pentachlorphenol.

Wir Menschen sind offensichtlich nicht ganz lernunfähig.

Aber es bleiben gravierende Probleme. Wir sind alle informiert über unmäßigen Ressourcenverbrauch und Energieverschwendung. Wir wissen, dass unsere Welt als Müllkippe missbraucht wird, für Chemieprodukte, für die Plastikabfälle in den Meeren und für nicht sicher deponierbare Atomabfälle. Die großflächige Abholzung der Wälder bedroht das globale Ökosystem.

Die Zunahme der Temperatur – zwar eine vorwiegend nicht menschengemachte Entwicklung der letzten 20.000 Jahre mit erheblichem Anstieg des Meeresspiegels – hat anthropogen bedingt in den letzten Jahrzehnten eine enorme Beschleunigung erfahren (Hockey-Schläger-Phänomen). Das führt zu Klimaänderungen, Dürren, Hunger und Migration.

Auf die Dringlichkeit dieser Problematik und auf die weltweite Unzulänglichkeit der bisherigen Anstrengungen hat im Oktober 2018 der Weltklimarat (ICCP) nachdrücklich hingewiesen.

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Autor/innen: Dr. M. Otto, Prof. K. E. von Mühlendahl    Zuletzt aktualisiert: 16.04.2023

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