Analytik, Biomonitoring und Grenzwerte

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Analytik, Biomonitoring und Grenzwerte

Der Bleigehalt in Umweltproben und in Körperflüssigkeiten kann mit Hilfe der Atomabsorptionsspektrometrie oder der inversen Voltammetrie bestimmt werden. Das letztere Verfahren erfordert zwar eine aufwendigere Probenvorbereitung, ist dafür aber etwas empfindlicher.

Bestimmung der Bleibelastung

Die Bleibelastung des Körpers kann – je nach Fragestellung – im Blut, im Urin, in Zähnen und im Haar erfasst werden. Die Bleibestimmung im Blut ist für die Bestimmung der aktuellen Bleibelastung am besten geeignet und ist Messungen im Urin vorzuziehen. Die Bestimmung erfolgt im Vollblut, da etwa 95 Prozent des im Blut vorkommenden Bleis an die Membran der roten Blutkörperchen gebunden sind.

Venenblut ist für die Untersuchung besser geeignet als Kapillarblut. Für spezielle Fragestellungen, beispielsweise zur Untersuchung der Langzeitbleibelastung von Kindern, kann der Bleigehalt der Zähne untersucht werden. Dieser steigt mit dem Lebensalter und der Höhe der Bleibelastung an. Die Untersuchung des Bleigehalts in Haaren ist für eine Abschätzung einer individuellen Belastung wenig geeignet. Eine longitudinale Analyse des Haares kann jedoch bei forensischen Fragestellungen nützlich sein.

Vergleich mit Referenz- und Human-Biomonitoring-Werten

Die persönlichen Messwerte können sowohl mit Referenzwerten als auch mit sogenannten HBM-Werten verglichen werden. Zwischen Referenzwerten und HBM-Werten bestehen vom Konzept und von der Aussagekraft her große Unterschiede.

Referenzwerte geben an, wo die obere Grenze der “allgemeinen Grundbelastung” in der Bevölkerung zum Zeitpunkt der Untersuchung liegt. Sie sagen nichts über eine mögliche Gesundheitsgefährdung aus, helfen aber, überdurchschnittlich belastete Personen zu identifizieren.

Referenzwerte

Auf der Grundlage des Umweltsurveys von 1998 hat die Kommission “Human-Biomonitoring” folgende Referenzwerte festgelegt (Kommission “Human-Biomonitoring” 2002):

Frauen (18 – 69 Jahre) 70 Mikrogramm Blei pro Liter Blut*
Männer (18 – 69 Jahre) 90 Mikrogramm Blei pro Liter Blut*

Für Kinder liegen jetzt aktualisierte Referenzwerte der Kommission “Human-Biomonitoring” (2009) vor. Sie basieren auf den Daten des Kinder-Umwelt-Surveys (2003 / 2006):

Kinder (3 – 14 Jahre)         35 Mikrogramm Blei pro Liter Blut*

* Bei Messungen an Einzelpersonen muss eine analytische Unsicherheit von etwa 10 – 20 Mikrogramm pro Liter berücksichtigt werden.

Sofern diese Werte überschritten werden, ist zunächst eine Nachkontrolle sinnvoll. Sollte sich der Verdacht einer erhöhten Bleibelastung bestätigen, sollte nach der Bleiquelle geforscht werden.

Festlegung von HBM-Werten (inzwischen ausgesetzt):

Für den Umweltschadstoff Blei hatte die Kommission “Human-Biomonitoring” HBM-Werte für Risikogruppen und für die Gruppe der übrigen Personen festgelegt (s. auch nächsten Abschnitt).  Zu den Risikogruppen zählen Kinder bis zum Alter von einschließlich 12 Jahren und Mädchen/Frauen im Alter zwischen 13 und 45 Jahren im gebärfähigen Alter. Als Begründung wird angeführt (Kommission “Human-Biomonitoring” 1996):

Wegen des ungehinderten Übertritts von Blei durch die Plazenta läßt sich bereits pränatal ab der 12. Schwangerschaftswoche eine Bleiaufnahme durch den Feten nachweisen. Bleiionen passieren in einem nicht näher bekannten Umfang die Blut-Hirn-Schranke, beim Kind wahrscheinlich effektiver als bei Erwachsenen. Der sich entwickelnde Fetus und Kleinkinder sind gegenüber Blei besonders empfindlich. Als schwerwiegend werden die subtilen Wirkungen auf zentralnervöse Funktionen gewertet, für die auch bei geringer Bleibelastung mit Konzentrationen im Vollblut von 100 – 150 Mikrogramm pro Liter hinreichende Anhaltspunkte vorliegen (Veränderung neuropsychologischer und verhaltensabhängiger Parameter).

Kleinkinder bis zu einem Alter von sechs Jahren nehmen über Hand-zu-Mund-Aktivitäten mehr Blei auf als Erwachsene. Unterschiede in der Kinetik führen zu einer höheren inneren Belastung und Mobilisierbarkeit von Blei bei Kindern. Die gastrointestinale Absorptionsquote beim Erwachsenen wird auf 10 %, bei Kindern dagegen auf 50 % geschätzt. Kinder speichern nur etwa 60 % des Gesamtbleis im Knochen (Erwachsene 90 %), der mobilisierbare Anteil (vorwiegend im Weichteilgewebe) von Blei ist bei ihnen höher.”

Aussetzung der HBM-, MAK- und BAT-Werte für Blei

Die HBM-Werte (HBM-I und HBM-II) für Blei im Blut aller Personengruppen wurden von der Kommission Human-Biomonitoring ausgesetzt. Gründe hierfür waren insbesondere  das Fehlen einer Wirkschwelle für Blei und die Einstufung der MAK-Kommission von Blei in die Kat. 2 („als Krebs erzeugend für den Menschen anzusehen“). 

Auch der in der Arbeitsmedizin bedeutsame MAK- und BAT-Wert für Blei wurde in 2004 aufgrund der Neubewertung des krebserzeugenden Potentials ausgesetzt (DGAUM, Juni 2005).

In der folgenden Tabelle sind die früher gültigen Human-Biomonitoring-Werte für die Bleikonzentration im Blut zusammengestellt (Werte in Klammern):

HBM-Werte (Mikrogramm Blei pro Liter Vollblut) Risikogruppen*
Übrige Personen
HBM I

ausgesetzt    (100)

ausgesetzt (150)
HBM II

ausgesetzt   (150)

ausgesetzt  (250)

*  Zu den Risikogruppen zählen Kinder bis zum Alter von einschließlich 12 Jahren und Mädchen/Frauen im gebärfähigen Alter (13 und 45 Jahre).

Maßnahmen bei Überschreitung der (inzwischen ausgesetzten) HBM-Werte

Die Kommission “Human-Biomonitoring” hatte – in Abhängigkeit von der Bleikonzentration – Maßnahmen zur Verminderung der Exposition und zur Therapie vorgeschlagen. Allerdings sollte der erhaltene Wert zunächst analytisch überprüft werden.

a) Maßnahmen bei hohen (umweltmedizinisch selten vorkommenden) Blutbleigehalten bei KindernBlutbleikonzentrationen > 700 µg/l sind als medizinischer Notfall stationär zu behandeln. Eine etwas geringere Priorität für diese Maßnahme besteht bei Werten von 450 bis 690 µg Pb/l. Ab Blutbleiwerten > 450 µg/l sollte eine Chelatbildnertherapie (stationär) in Erwägung gezogen werden. Die Sanierung des Umfeldes des Kindes muß gewährleistet sein, bevor es dahin zurückkehren darf. Bei Kindern mit Blutbleikonzentrationen im Bereich von 200 bis 450 µg/l sollten Aufklärung der Ursachen und Sanierungsmaßnahmen innerhalb von zehn Tagen eingeleitet werden. Da bei diesen Betroffenen jedoch häufig keine stationäre Behandlung erfolgt und das Kind somit weiterer Belastung durch die kontaminierte Umwelt ausgesetzt ist, sollte die Sanierung schnellstmöglich erfolgen.b) Am HBM-I-Wert ausgerichtete MaßnahmenDer HBM-II-Wert ist als Eingriffsschwelle definiert. Dennoch sind Vorsorgemaßnahmen bei Blutbleiwerten, die im Bereich zwischen dem HBM-I- und HBM-II-Wert liegen, angebracht. Es empfehlen sich folgende “weiche Maßnahmen”:

  • Wiederholung der Analyse (zur Absicherung des Befundes),
  • Information über die Überschreitung,
  • Aufklärung über “einfache” Minimierungsmaßnahmen (Hygiene) im direkten Umfeld des Betroffenen,
  • Wiederholungsanalyse nach längerem Zeitintervall (Erfolgskontrolle, Trendanalyse).

Die Dringlichkeit, mit der diese Maßnahmen durchgeführt werden sollten, ist von der “Nähe” der Bleikonzentration im Blut zum HBM-II-Wert abhängig.

c) Am HBM-II-Wert ausgerichtete Maßnahmen

Ganz entscheidend für die Senkung der Bleibelastung im unmittelbaren Umfeld des Betroffenen ist fachgerechte und umfassende Aufklärung über Risiken durch Blei einerseits und die Identifikation möglicher Kontaminationsquellen und deren Vermeidung andererseits. Somit ist Information eine der ersten und wichtigsten Maßnahmen.”

Grenzwerte / Richtwerte

Blei und Trinkwasser

Blei gehört zu den Umweltschadstoffen, für die keine unschädliche untere Grenze gefunden wurde. Die “akzeptablen” Grenzwerte sind in den vergangenen Jahren wiederholt nach unten korrigiert worden. Am besten wird dies an der im Trinkwasser zulässigen Bleikonzentration deutlich: der bis 2002 gültige Bleigrenzwert von 0,04 Milligramm pro Liter wurde im Jahr 2003 auf 0,025 Milligramm pro Liter abgesenkt.

In der derzeit gültigen Fassung der Trinkwasserverordnung darf seit Dezember 2013 der Bleigehalt in einer Wasserprobe 0,01 Milligramm Blei pro Liter nicht übersteigen. Umweltmediziner stufen diesen Wert als immer noch zu hoch ein. Eine Absenkung ist derzeit – obwohl wünschenswert – vermutlich aus Kostengründen kaum realistisch.

Weitere Informationen zu Blei im Trinkwasser finden sich hier.

Altlasten

In der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) sind nutzungsabhängige Prüfwerte für die Schwermetallbelastung des Bodens festgelegt worden. Der Prüfwert für den Bleigehalt auf Kinderspielflächen beträgt 200 Milligramm pro Kilogramm Boden, in Wohngebieten liegt er bei 400 Milligramm pro Kilogramm Boden.

Tägliche Aufnahme:

Die EFSA (European Food Safety Agency, 2013) schätzt, dass bereits eine tägliche Bleiaufnahme von einem halben Mikrogramm Blei pro Kilogramm Körpergewicht zu einem Zusatzrisiko für eine eingeschränkte Intelligenzentwicklung bei Kindern führt.

Das BfR empfiehlt, sich bei dem Grenzwert für Blei nach dem ALARA-Prinzip zu richten. Der Grenzwert sollte sich demnach an der technisch unvermeidbaren Konzentration orientieren.

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Autor/innen: Dr. M. Otto, Prof. K. E. von Mühlendahl    Zuletzt aktualisiert: 21.12.2023

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