Gegenwärtig relevante und rückläufige Umweltstoffe

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Gegenwärtig relevante Umweltstoffe und Umweltstoffe mit rückläufiger Bedeutung / Auswirkungen / Empfehlungen

Gegenwärtig relevante Umweltstoffe

Flammschutzmittel und Weichmacher

Abbildung 1: Vergleich der Gehalte an bromierten Flammschutzmitteln (PBDE) und TEQ für PCB, Dioxine und Furane in der Muttermilch 1972-1996. Cameron, Smolka 2005.

In den letzten Jahren sind neue Substanzen bekannt geworden, die in die Muttermilch übergehen. Nach Angaben in einer Literaturstudie des BUND (Cameron, Smolka 2005) ist die Belastung der Muttermilch durch die Flammschutzmittel polybromierte Diphenylether (PBDE) in den Jahren 1972 bis 1996 deutlich gestiegen. Dies zeigt die von links nach rechts ansteigende Kurve in Abbildung 1 (Allerdings fehlt eine eindeutige Quellenangabe in der BUND-Literaturstudie). Einen ähnlichen Verlauf vermuten Experten auch für Weichmacher (Phthalate).

Das niedersächsische Landesuntersuchungsamt hat Flammschutzmittel und Weichmacher neu in seine Untersuchungen mit aufgenommen. Hier fehlen aber noch eindeutige Zahlen, um einen Trend in die eine oder andere Richtung ausmachen zu können.

Quecksilber

Wegen ihrer geringen Fettlöslichkeit reichern sich über die Nahrung aufgenommene Schwermetalle wie Blei, Kadmium und Quecksilber vor allem in der Leber und in den Nieren an. Sie finden sich aber auch in der Muttermilch.

Eine Sonderrolle nehmen organische Quecksilberverbindungen wie Methylquecksilber ein. Organisches Quecksilber gelangt hauptsächlich durch den Verzehr von Fischen in den menschlichen Körper. Dabei sind alte Fische deutlich stärker mit Quecksilber belastet als junge, Raubfische mehr als Friedfische.

Aufgrund ihrer hohen Fettlöslichkeit werden organische Quecksilberverbindungen aus dem Magen-Darm-Trakt zu über 90 % resorbiert. Es verteilt sich gleichmäßig im Körper und passiert sowohl die Blut-Hirn-Schranke als auch die Plazentabarriere. Im Dickdarm wandeln Mikroorganismen 90 % des resorbierten organischen Quecksilbers in Hg2+ um, welches dann über den Stuhl ausgeschieden wird.

Der Grenzwert für die Aufnahme von Quecksilber wird mit dem PTWI-Wert, der vorläufigen tolerierbaren wöchentlichen Aufnahme (Provisional Tolerable Weekly Intake) angegeben. Für Quecksilber liegt dieser bei 1,6 µg Gesamtquecksilber pro Kilogramm Körpergewicht und Woche (EFSA 2008). Embryonen/Föten und Kinder stillender Mütter sind in besonderem Maße durch organisches Quecksilber gefährdet. Daher sollten Schwangere, Stillende, und Kleinkinder Raubfische wie Hai, Aal oder Thunfisch nur mäßig konsumieren.

Weitere Informationen zum Thema Quecksilber finden Sie hier.


Umweltstoffe mit rückläufiger Bedeutung

Mehrere Bundesländer führen seit Mitte der 1970er Jahre Muttermilchuntersuchungsprogramme durch. Die Schwerpunkte der Untersuchungen liegen weiterhin vor allem auf chlororganischen Stoffen. Weitere bekannte Fremdstoffe sind Nitromoschusverbindungen, Flammschutzmittel und Weichmacher.

Chlororganische Verbindungen

Die chlororganischen Verbindungen, die sich heute in der Muttermilch wiederfinden, wurden früher hauptsächlich in Holzschutzmitteln, Pestiziden, in der Bautechnik (Dichtungsmassen) und zahlreichen Produkten und industriellen Anwendungen eingesetzt.

So wurde zum Beispiel DDT in der ehemaligen DDR als Holzschutzmittel verwendet, während in der alten BRD Pentachlorphenol (PCP) zum Einsatz kam.

DDT wurde auch als Insektenvernichtungsmittel gebraucht. Dies spielt in vielen Ländern, die von Malaria betroffen sind, auch noch immer eine Rolle. Lindan, die Gamma-Form des Hexachlorcyclohexan, wurde noch bis Ende 2007 in der Behandlung gegen Hautparasiten wie Läusen und Krätzemilben eingesetzt. Seit Januar 2008 ist es jedoch verboten.

Auch die meisten anderen Stoffe werden heute nicht mehr produziert und verwendet. Dies hat dazu geführt, dass die Konzentration der chlororganischen Verbindungen in der Muttermilch erheblich abgenommen hat (Abbildung 1).

Abbildung 1: Schadstoffe in der Muttermilch aus Deutschland im Verlauf. Eigene Darstellung nach: Kommission „Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes 1999 und 2008.

Vielfach werden die TDI-Werte nicht mehr überschritten. Beispielsweise ist das Gesamt-PCB von 1,2 mg/kg Fett in der Muttermilch in 1994 auf 0,5 mg/kg Fett in der Muttermilch in 2003-05 gesunken. Die WHO und die FAO haben den TDI auf 1 µg Gesamt-PCB pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag festgelegt.

Angenommen ein dreimonatiger Säugling (ca. 5 kg Körpergewicht) würde 800 ml Muttermilch am Tag mit einem Muttermilchfettgehalt von etwa vier Prozent trinken. Dann betrüge seine tägliche PCB-Aufnahme 0,32 µg pro Kilogramm und Tag, also ein Drittel des von der WHO als zulässig angesehenen Wertes.

Allerdings kann für andere Schadstoffe die Situation anders aussehen.

Nitromoschusverbindungen

Als synthetischer Bestandteil von vielen Duftstoffmischungen sind Moschusverbindungen in das Visier der Muttermilchuntersuchungsstellen gelangt. Auch hier ist ein deutlich rückläufiger Trend zu erkennen.

Abbildung 2: Moschusverbindungen in der Muttermilch aus Deutschland. Eigene Darstellung nach: Vieth 2002.

Nitromoschusverbindungen werden seit mehr als 100 Jahren in der Duftstoffproduktion eingesetzt.  Inzwischen sind die fettlöslichen Duftstoffkomponenten als Verunreinigung in Fettgeweben überall auf der Welt zu finden. Zu den wichtigsten und am meisten verwendeten Verbindungen gehören Moschus-Xylol und Moschus-Keton. Moschus-Xylol lagert sich besonders leicht im Fettgewebe ab und kam somit mengenmäßig mehr in der Muttermilch vor, als andere Moschusverbindungen. Aufgrund dessen nahm die Industrie 1994 die Duftstoffkomponente freiwillig aus ihren Produkten. Seitdem sind die Moschus-Xylol-Gehalte in der Muttermilch rückläufig.

Das weniger verwendete Moschus-Ambrette zeichnete sich in toxikologischen Untersuchungen durch eine neurotoxische und reproduktionstoxische Wirkung aus. Die Substanz ist in der Europäischen Union verboten.

Längerfristige Auswirkungen von Umweltstoffaufnahmen

Ehemals gestillte Kinder und Jugendliche haben bis zum Alter von 14 Jahren eine höhere Schadstoffbelastung im Blut als Gleichaltrige, die mit der Flasche ernährt wurden (Becker et. al. 2007, Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg 2005).

Es ist jedoch nicht mit Sicherheit zu belegen, dass diese Belastungen mit der Stillzeit zusammenhängen. Innerhalb von 14 Jahren können viele weitere Faktoren auf die Kinder einwirken, die Einfluss auf die Schadstoffkonzentration nehmen können.

Ein gesundheitlicher Nachteil ist für gestillte Kinder auch nach 14 Jahren nicht erkennbar. Studien deuten auf Vorteile in Bezug auf Immunstatus und eine geringere Neigung zu Übergewicht hin.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Stillen stellt für die meisten Säuglinge die optimale Versorgung dar. Muttermilch genügt als einziges Lebensmittel für den Zeitraum der ersten vier bis sechs Lebensmonate für eine normale Entwicklung gesunder Säuglinge (Empfehlungen der Nationalen Stillkommission am BfR 2004).

Für die Allergieprävention geht man davon aus, dass 4 Monate alleiniges Stillen ausreichend sind. Für eine längere Stillzeit konnte kein zusätzlicher Nutzen bezüglich der Allergieprävention nachgewiesen werden (Koletzko et al. 2010, Leitlinie Allergieprävention, 2014).

Während der Schwangerschaft und der Stillzeit sollte wenn möglich kein Alkohol getrunken werden, da dieser auch durch das Kind aufgenommen wird und dessen gesundheitliche Entwicklung negativ beeinflussen kann. Schwangere und Stillende sollten nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (2009) vorsorglich keinen oder sehr wenig Alkohol trinken (Gundert-Remy et al., 2012).

Die vorstehenden Daten zur Fremdstoffbelastung der Muttermilch zeigen einen deutlichen Rückgang der Belastung auf. Es zeigt sich aber auch, dass neue Schadstoffe ihren Weg in die Muttermilch finden.

Die Nationale Stillkommission und die Kommission „Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes sehen in den Rückständen kein gesundheitliches Risiko für den gestillten Säugling. Sie sollten keinen Anlass für irgendwelche Einschränkungen des Stillens geben (Kommission „Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes 2008, Empfehlungen der Nationalen Stillkommission am BfR 2004).

Bereits 1988 und 1992 hatten die WHO und die Deutsche Gesellschaft für Pharmakologie und Toxikologie auf Basis der damals höheren Gehalte von PCB und Dioxinen in der Muttermilch festgestellt, dass keinerlei Einschränkungen des Stillens abzuleiten sind (WHO 1988, Beratungskommission Toxikologie der DGPT).

Der Nutzen, der sich für einen gestillten Säugling aus der Ernährung mit Muttermilch ergibt, ist weitaus größer als jede Belastung mit Fremdstoffen. Darüber hinaus nimmt die Fremdstoffbelastung im Laufe einer Stillperiode kontinuierlich ab. Folglich kann nach Einführen der Beikost solange gestillt werden, wie Mutter und Kind es wollen.

Am Rande sei auf neuere Untersuchungen zur Anwesenheit von Fremdstoffen in Säuglingsfertignahrung hingewiesen. Beispielsweise können bei  der Hitzebehandlung pflanzlicher Fette während der Raffination Stoffe wie z.B. 3-MCDP- und Glycidol-Fettsäureester entstehen, die sich in der Säuglingsfertignahrung wiederfinden.

Nach der Geburt eines Kindes hat jede Mutter die Möglichkeit sich von einer Nachsorgehebamme betreuen und beraten zu lassen. Sie hilft auch bei Fragen rund um das Thema Stillen. Die Kosten übernimmt die Krankenkasse der Mutter. Auch Still- und Laktationsberaterinnen (www.stillen.de und www.lalecheliga.de) helfen Ihnen kostenfrei weiter.

Das Faltblatt „Checkliste für die Zeit nach der Geburt“ der Nationalen Stillkommission gibt weitere Hinweise.

Grundsätzlich sind Fremdstoffe in der Muttermilch generell unerwünscht. Diese Aussage gilt umso mehr, als in den letzten Jahren neue Stoffe wie Flammschutzmittel und Weichmacher hinzugekommen sind. Aus Gründen der Gesundheitsvorsorge fordern die Expertenkommissionen (WHO, Nationale Stillkommission, DFG) geeignete Maßnahmen, um den Eintrag von fettlöslichen und schwer abbaubaren Stoffen in die Umwelt zu verhindern und zu minimieren.

Muttermilch untersuchen lassen

Interessierte Stillende können ihre Milch bei den Muttermilch-Untersuchungsstellen der Bundesländer kontrollieren lassen. Besonders wichtig ist diese Möglichkeit für Frauen, die über einen längeren Zeitraum wie durch eine berufliche Tätigkeit in Landwirtschaft oder Industrie mit den Schadstoffen in Kontakt waren. Die Analyse durch die landeseigenen Labore ist kostenlos.

Muttermilch-Untersuchungsprogramme:

  • Nordrhein-Westfalen:
    Kontakt: Chemisches Landes- und Staatliches Veterinäruntersuchungsamt (CVUA). Joseph-König-Straße 40, 48147 Münster, Tel.: 0251 9821-0, E-Mail: poststelle@cvua-mel.de
  • Mecklenburg-Vorpommern:
    Kontakt: Landesamt für Gesundheit und Soziales, Herr Dr. Hauk, Tel.: 0381/4955342
  • Bayern:
    Interessierte wenden sich bitte an das örtliche Gesundheitsamt ihrer Gemeinde.

Rückstände und Schadstoffe in der Muttermilch

Ein in der Monatsschrift Kinderheilkunde erschienener Beitrag liefert detaillierte Informationen und Bewertungen zu Rückständen und Schadstoffen in der Muttermilch und zur Entwicklung in den letzten dreißig Jahren.

von Mühlendahl, K. E., Otto, M.: Rückstände und Schadstoffe in der Muttermilch. In: Monatsschrift Kinderheilkunde 5/2012; S. 455-460.

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Autor/innen: J. Linnemann M. Sc.    Zuletzt aktualisiert: 10.01.2024

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