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Schadstoffe in der Innenraumluft (Übersicht)
Heutzutage ist der Innenraum zum typischen Aufenthaltsort des modernen Menschen geworden; oft werden hier bis zu 90 Prozent der Zeit verbracht.
Pro Tag atmet ein Erwachsener durchschnittlich etwa 20 Kubikmeter Luft ein und aus. Dieses Luftvolumen entspricht einer Masse von ca. 25 Kilogramm, sie übersteigt damit bei weitem die Masse an pro Tag verzehrten Lebensmitteln und Trinkwasser.
Während Lebensmittel und Wasser sorgsam ausgewählt werden können, ist dies bei der Luft in der Regel nicht möglich. Grund genug, der Qualität der Innenraumluft Aufmerksamkeit zu schenken.
In der vorliegenden Information werden Schadstoffquellen im Innenraum und Beziehungen zu möglichen Gesundheitsbeeinträchtigungen aufgezeigt sowie Empfehlungen zur Verbesserung der Innenraumluft gegeben.
Dabei steht der typische Wohn- und Schlafraum im Vordergrund. Vieles lässt sich jedoch auch auf andere Innenräume wie z. B. Büros, Kindertagesstätten, Schulen und Veranstaltungsräume übertragen.
Dies gilt nicht für das Arbeitsumfeld, das gesetzlich in besonderer Weise geregelt und kontrolliert wird.
Innenraum – Definition
In Privatwohnungen sind Innenräume alle Räume inklusive Küchen, Badezimmern, Abstellkammern und Kellerräumen.
In der Arbeitswelt sind Innenräume alle Räume, die nicht speziell der Gefahrstoffverordnung unterliegen.
In öffentlichen Gebäuden sind Innenräume alle Säle, Zimmer, Foyers, etc. von Theatern, Krankenhäusern, Schulen, Kindertagesstätten, Sporthallen, Bibliotheken, Restaurants, Kinos und anderen Gebäuden.
Auch der Fahrgastraum von Fahrzeugen des öffentlichen und privaten Verkehrs wird zum Innenraum gezählt.
Innenraum vs. spezielle Arbeitsplätze: die Unterschiede
An Arbeitsplätzen, an denen mit chemischen Substanzen umgegangen wird, die ein potenzielles Gesundheitsrisiko aufweisen, gelten Grenzwerte nach der Gefahrstoffverordnung. Hier sind unter Umständen höhere Konzentrationen akzeptabel.
Dies trifft für Innenräume nicht zu. Konkret heißt dies, dass z.B. eine Formaldehydbelastung eines Büroraums wie eine Wohnraumbelastung zu betrachten ist.
Einflüsse auf die Innenraumluftqualität
Verschiedene Quellen haben Einfluss auf die Qualität der Innenraumluft. Dazu gehören neben chemischen Faktoren auch physikalische oder biologische Einflüsse.
Unter chemischen Faktoren werden Gase, organische Verbindungen, Partikel, Stäube und Fasern zusammengefasst. Auch Gerüche zählen zu den chemischen Faktoren.
Luftfeuchte und Luftgeschwindigkeit sind Beispiele für physikalische Faktoren.
Biologisch können z.B. Viren, Bakterien, Schimmelpilze und Allergene eine Rolle spielen.
Nutzungsgewohnheiten
Tabakrauch ist immer noch einer der wichtigsten und leider auch einer der häufigsten Innenraumluftschadstoffe.
Viele Innenraumluftschadstoffe sind auf unsere eigenen Tätigkeiten und Gewohnheiten zurückzuführen. Die unkritische Anwendung von Bioziden (Holzschutzmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel, Elektroverdampfer, Teppichausrüstung usw.), übermäßiger Einsatz von Reinigungs-, Pflege- und Desinfektionsmitteln (Möbelpolituren, Fußbodenreinigungs- und –pflegemittel), sowie Hobbytätigkeiten (z.B. Klebe- und Lackierarbeiten) können die Innenraumluft negativ beeinflussen.
Pflanzen und Zimmerspringbrunnen tragen einerseits zu einem behaglichen Raumklima bei, können sich andererseits auch zu Schimmel-/ Allergenquellen entwickeln.
Auch Lifestyle-Artikel (z. B. Duftlampen, Räucherstäbchen) und Produkte mit fraglichem Nutzen (Raumluftsprays, Duftgels, Toilettensteine) haben Einfluss auf die Qualität der Innenraumluft.
Eine erst kürzlich identifizierte Quelle zahlreicher Innenraumschadstoffe (Kohlendioxid, Stickstoffdioxid, Formaldehyd, Feinstaub) sind mit Bio-Ethanol betriebene Feuerstellen (“Bioethanol Kamine”) (Schripp et al. 2014).
Seit einiger Zeit wird die Verwendung von Duftstoffen im Kinderspielzeug kritisch hinterfragt. Die Spielzeugrichtlinie sieht u. a. ein Verbot allergieauslösender Duftstoffe im Spielzeug vor.
Duftstoffe und Allergien
Einige Duftstoffe können allergische Reaktionen der Haut (Kontaktallergien) auslösen. Es sind allerdings keine Fälle bekannt, in denen über die Atemwege aufgenommene Duftstoffe die Ursache für allergische Reaktionen gewesen sind (vgl. “Duftstoffe“).
Einflussfaktor Außenluft
Die Innenraumluftqualität wird durch die Güte der einströmenden Außenluft, durch “Schadstoffquellen” und “Schadstoffsenken” (schadstoffabsorbierende Materialien) im Innenraum bestimmt. Auch die Häufigkeit des Luftwechsels ist wichtig.
Eine möglichst reine Außenluft ist daher Vorbedingung für eine gute Innenraumluft. Je nach Wohnungslage und Umfeld kann die Außenluft z.B. durch Verkehrsabgase oder Emissionen aus umliegenden Gewerbeeinrichtungen wie Tankstellen, chemischen Reinigungen, landwirtschaftlicher Tätigkeit usw. beeinträchtigt sein.
Lufthygiene
Ein Raumklima wird als behaglich empfunden, wenn die Temperatur zwischen 20 und 23 Grad Celsius und die Luftfeuchte zwischen 30 und 70 Prozent relativer Feuchte liegt. Für Hausstaubmilben-Allergiker sind allerdings maximal 50 Prozent relativer Luftfeuchte empfehlenswert (gelegentliche Kontrolle mit einem geeichten Hygrometer!). Luftströmungen im Raum sollten je nach Saison Werte von 0,15 Meter pro Sekunde (im Winter) bzw. 0,25 Meter pro Sekunde (im Sommer) nicht überschreiten.
Beim Betreten eines Raumes, in dem sich Personen aufhalten, entsteht gelegentlich der Eindruck von “verbrauchter Luft”. Dieser ist auf das ausgeatmete Kohlendioxid, Wasserdampf und auf abgegebene Körpergerüche zurückzuführen. Bereits vor 100 Jahren wurde von Max von Pettenkofer der Kohlendioxidgehalt der Luft als Leitwert für die Luftqualität erkannt. Die lange Zeit gültige “Pettenkoferzahl” sah einen Kohlendioxidgehalt von höchstens 0,1 Volumenprozent vor (entsprechend 1000 ppm oder 1 Liter Kohlendioxid in einem Kubikmeter Luft).
Eine Arbeitsgruppe der Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamtes hat in 2008 gesundheitlich-hygienisch begründete Leitwerte für Kohlendioxid in der Raumluft abgeleitet:
- Konzentrationen unter 1000 ppm Kohlendioxid in der Raumluft gelten als unbedenklich
- Konzentrationen zwischen 1000 und 2000 ppm gelten als auffällig
- Konzentrationen über 2000 ppm gelten als nicht akzeptabel.
Luftwechsel
Die Konzentration an Kohlendioxyd und anderen Luftschadstoffen in der Innenraumluft wird wesentlich von der sogenannten Luftwechselzahl LWZ bestimmt. Diese gibt an, wie oft das Raumluftvolumen pro Stunde erneuert wird. Auf die Luftwechselzahl haben die Raumabdichtungen und insbesondere das Lüftungsverhalten großen Einfluss. Typische Werte liegen bei 0,3 – 0,5 pro Stunde, aus raumlufthygienischer Sicht wären allerdings Luftwechselzahlen zwischen 0,5 und 1 pro Stunde wünschenswert. Bei Stoßlüftung übersteigt die LWZ den Wert 10.
Die 2002 in Kraft getretene Energiesparverordnung führt zu einer luftdichten Bauweise. Daraus resultiert eine nicht mehr ausreichende natürliche Abfuhr von geruchs- und feuchtebelasteter Luft aus Innenräumen, was wiederum zu einem Schimmelpilzbefall führen kann.
Passivhäuser stehen in einem Zielkonflikt zwischen maximaler Energieeinsparung und adäquater Innenraumhygiene. Umweltmedizinische Ambulanzen stellen bereits erste gesundheitliche Beeinträchtigungen bei Passivhaus-Bewohnern fest, wenn eine ausreichende Luftwechselzahl nicht gewährleistet ist.
Lufttemperatur, Luftfeuchte und Schadstoffe
Wieviel von einem Schadstoff aus einer Quelle freigesetzt wird, hängt auch von der Lufttemperatur und der Luftfeuchte ab. Beispielsweise geben Möbelspanplatten mit steigender Temperatur und steigender Feuchte verstärkt Formaldehyd ab.
Schadstoffquellen, -senken und die Raumbeladung
Wie stark sich beispielsweise Möbel auf die Innenraumluft auswirken, hängt nicht zuletzt von der “Raumbeladung” ab. Darunter versteht man die Anzahl und das Volumen von Möbeln pro Quadratmeter Grundfläche, kurzum “inwieweit der Raum vollgestellt ist”. Viele “emissionsarme Möbel” in einem kleinen Raum können dann nämlich zu einem Problem werden. Manche Einrichtungsgegenstände oder Textilien (Gardinen, Polstermöbel, Teppiche) sind wiederum in der Lage, Schadstoffe zu binden und damit als „Schadstoffsenken“ zu wirken. Auch hier spielt das Verhältnis von Textilfläche zur Raumgröße eine Rolle.
Veränderung des Schadstoffspektrums
In den letzten 10 – 12 Jahren hat sich das Spektrum der in der Innenraumluft gefundenen Verbindungen deutlich geändert. Neu hinzugekommene Stoffe sind beispielsweise Glykolether und Terpene, während flüchtige chlororganische Verbindungen seltener und in geringerer Konzentration auftreten. Auch die Toluolbelastung ist rückläufig. Generell ist ein Trend zu schwerflüchtigen organischen Verbindungen (SVOC) zu beobachten. Das hängt mit dem Ersatz klassischer leicht flüchtiger Lösemittel in Klebstoffen, Farben, Anstrichstoffen, Reinigungsmitteln usw. durch schwerflüchtige Verbindungen zusammen. Diese Produkte können dann als “lösemittelarm” oder “lösemittelfrei” deklariert werden.
Beispielsweise wurde zum Ende der 90er Jahre hin der Lösemittelgehalt von Wandfarben gesenkt, um sie als “lösemittelarm/lösemittelfrei” im Sinne des Umweltzeichens “Blauer Engel” ausweisen zu können. Durch den nunmehr erhöhten Wassergehalt war der Einsatz von Konservierungsstoffen (meist Kathon CG, ein Isothiazolinon-Gemisch) erforderlich. Untersuchungen von Umweltlaboren haben gezeigt, dass auch viele Tage nach dem Wandanstrich Isothiazolinone in erheblicher Konzentration in der Raumluft nachweisbar waren. Isothiazolinone (Insbesondere MCI) haben ein großes allergenes Potential.
Der Ersatz “chemischer Produkte” durch “Naturprodukte” führt nicht notwendigerweise zu einer Verminderung der Schadstoffe, sondern oft nur zu einer Veränderung des Schadstoffspektrums (Beispiel: Formaldehyd aus Spanplattenmöbeln versus Terpene aus Kiefermassivholzmöbeln).
Viele “Lifestyle-Produkte” wie z.B. ethanolbasierte Feuerstellen, Duftlämpchen, Räucherstäbe, Toilettensprays usw beeinträchtigen oftmals ganz erheblich die Qualität der Innenraumluft.
Grenzwerte
Für einzelne Stoffe in der Innenraumluft sind Grenz-, Richt- oder Vorsorgewerte festgelegt worden, beispielsweise für Formaldehyd, Naphthalin, Pentachlorphenol, Toluol oder Terpene. Für Kohlendioxid (CO2) wurde in 2008 ein Leitwert erarbeitet (s. Kapitel Lufthygiene).
Sind nun umfassende rechtliche Regelungen im Sinne einer “Technischen Anleitung Innenraum” zu fordern? Dazu hat das Umweltbundesamt im Sommer 2006 Stellung genommen. Aus seiner Sicht wäre eine einheitliche rechtliche Regelung nicht sinnvoll. Eine geeignete Kombination aus Emissionsbegrenzungen, Kennzeichnung, Normen und Verbraucheraufklärung ist aus Sicht des Amtes erfolgversprechender.
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Literaturquellen
Allgemeine Literatur
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- Bekanntmachung des Umweltbundesamtes (2013): Richtwerte für Glykolether und Glykolester in der Innenraumluft: Datenblätter. Mitteilung der Ad-hoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte der Kommission Innenraumlufthygiene und der Obersten Landesgesundheitsbehörden. Bundesgesundheitsblatt 56, S. 286-320.
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Autor/innen: Dr. M. Otto Prof. K. E. von Mühlendahl
Zuletzt aktualisiert: 13.01.2024